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Europäischer Neurologiekongress in Berlin: Neuro-Forschung auf „Hochgeschwindigkeitskurs“ – 6.500 Experten diskutieren aktuelle Fortschritte

Pressemitteilung

Berlin – Mehr als 220 Millionen Menschen in Europa leiden an einer neurologischen Erkrankung – eine vielfach unterschätzte Dimension mit Potenzial zur regelrechten Versorgungs-Zeitbombe. Denn viele der Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson oder Alzheimer werden in einer alternden Gesellschaft massiv zunehmen. Die Gesundheitspolitik müsse der Neurologie endlich die Priorität zukommen lassen, die ihrer Bedeutung angemessen ist, forderte EAN-Präsident Prof. Günther Deuschl auf dem Europäischen Neurologiekongress in Berlin. Unter den Schwerpunktthemen des wissenschaftlichen Großereignisses: Schlaganfall, Epilepsie und Multiple Sklerose

„Die Dimension und die Krankheitslast neurologischer Erkrankungen in Europa werden unterschätzt, sie finden zu wenig Beachtung und das Fach ist in vielen europäischen Ländern mit unzureichenden Ressourcen ausgestattet. Dabei sollte der Versorgung neurologischer Patienten, aber auch der Forschung auf unserem Fachgebiet höchste gesundheitspolitische Priorität auf allen Ebenen zukommen“, sagte heute Prof. Günther Deuschl (Kiel), Präsident der European Academy of Neurology (EAN), beim Kongress dieser neuen europäischen Fachgesellschaft in Berlin. Von 20. bis 23. Juni diskutieren rund 6.500 Experten aus aller Welt aktuelle Trends ihres Fachgebietes. Die EAN entstand im Vorjahr durch eine Zusammenführung der beiden europäischen neurologischen Fachgesellschaften, der European Federation of Neurological Societies (EFNS) und der European Neurological Society (ENS).

Ein Drittel der Bevölkerung habe zumindest einmal im Leben Kontakt mit einem Neurologen, so Prof. Deuschl. „Daten des European Brain Council zufolge leiden insgesamt 220,7 Millionen Menschen in Europa an mindestens einer neurologischen Erkrankung – das sind mehr als die Einwohner von Deutschland, Frankreich und Großbritannien zusammen“, rechnete der EAN-Präsident vor. Diesen Anforderungen stehen im EU-Raum insgesamt rund 25.000 Neurologinnen und Neurologen gegenüber. Prof. Deuschl: „Das reicht schon heute kaum aus, und wird erst recht perspektivisch immer mehr zum Problem. Denn die Häufigkeit vieler neurologischer Erkrankungen wie Schlaganfall, Demenz oder Morbus Parkinson nimmt mit steigendem Alter deutlich zu.“ Schon heute sind die durch neurologische Erkrankungen verursachten volkswirtschaftlichen Kosten empfindlich hoch. Mehr als 336 Milliarden Euro pro Jahr machen die direkten und indirekten Kosten neurologischer Erkrankungen aus, das ist mehr als der gesamte deutsche Bundeshaushalt.

Dieser Entwicklung kann die moderne Neurologie allerdings etwas entgegensetzen. „Die Neurologie ist ein Fach auf Hochgeschwindigkeitskurs“, so Prof. Deuschl. „Wir haben auf die wachsende Herausforderung durch diese Erkrankungen auch immer mehr präventive, diagnostische, therapeutische und rehabilitative Antworten.“

Volkskrankheit Schlaganfall: Mechanische Gerinnselentfernung etabliert sich

So gibt es etwa im Management des Schlaganfalls – mit 1,3 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr in der EU eine regelreche Volkskrankheit – wichige Fortschritte, berichtete EAN-Vizepräsident Prof. Franz Fazekas (Graz). „Eine der wichtigsten aktuellen Entwicklungen in der Akuttherapie des Schlaganfalls ist die zunehmende wissenschaftliche Evidenz zur mechanischen Entfernung von Thromben aus Gehirngefäßen. Kürzlich publizierte Studienergebnisse belegen nicht nur eine hohe Wirksamkeit und Sicherheit der Thrombektomie, sondern erstmals auch ihre Überlegenheit gegenüber der Standard-Therapie mittels Thrombolyse bei bestimmten Patientengruppen.“

Das Verfahren ist vor allem bei großen Thromben sinnvoll, die sich unter medikamentöser Therapie nicht oder nur zum Teil auflösen lassen, und die große Hirnversorgungsgefäße verschließen. „ Prof. Fazekas. „So erfreulich die Fortschritte durch die neue Methode sind, so klar ist es aber, dass auch die mechanische Thrombektomie nicht bei allen Betroffenen die Durchblutung wieder herstellen kann. Außerdem ist eine Gefäßeröffnung wirkungslos, wenn das Gehirngewebe bereits zugrunde gegangen ist. Die Kunst wird es sein, das Verfahren bei aller Euphorie mit dem richtigen Augenmaß bei jenen Patienten einzusetzen, die davon profitieren können, und für diese komplexe Form der Behandlung entsprechende Strukturen und eine adäquate Ablauforganisation zu schaffen“. Genau zu diesem Zweck wollen sich die relevanten europäischen Fachgesellschaften jetzt auf eine gemeinsame Empfehlung zur Thrombektomie verständigen, die sicherstellen soll, dass das innovative Verfahren zum größtmöglichem Patientennutzen eingesetzt wird. Aus den bisherigen Diskussionen geht hervor dass die Thrombolyse nach wie vor die am breitesten einzusetzende Form der Behandlung des akuten ischämischen Schlaganfalls bleibt. Bei Verschlüssen großer Hirngefäße sollte sie aber unter bestimmten Voraussetzungen durch den Versuch einer Thrombektomie Ergänzung finden. „Wenn Kontraindikationen zur systemischen Thrombolyse vorliegen, ist diese bei Verschlüssen großer Gefäßen zweifellos als Therapie der ersten Wahl anzusehen“, fasst Prof. Fazekas einige der wahrscheinlichen Empfehlungen zusammen. „Ein hohes Alter allein sollte kein Grund sein, Patienten das Verfahren vorzuenthalten. Bei bereits stark vorgeschädigtem Gehirn, sehr großen Infarkten und schwerer Erkrankung auch anderer Organsysteme erscheint ein Einsatz allerdings nicht zielführend“

Vielversprechende Stimulationstechniken bei therapieresistenter Epilepise

Mehr als 2,6 Millionen Menschen in Europa leben mit Epilepsie. Trotz aller Fortschritte bei Medikamenten und neurochirurgischen Eingriffen haben 25 bis 30 Prozent der Betroffenen trotz optimierter Behandlung weiterhin Anfälle. „Genau für diese Gruppen von Patienten suchen wir nach geeigneten neuen Optionen“, so Prof. Paul Boon, Universitätkrankenhaus Gent (Belgien), Vorsitzender des EAN-Programmkomitees. „Fortschritte gibt es dabei aktuell bei verschiedenen minimal- und nicht-invasiven Neurostimulationsverfahren, der tiefen Hirnstimulation oder den Closed-Loop-Verfahren“, so Prof. Boon.

In der Behandlung der Epilepsie werden verschiedene intrakranielle und extrakranielle Neurostimulations-Techniken eingesetzt und erforscht. Die Vagusnerv-Stimulation (VNS) mit weltweit mehr als 100.000 behandelten Patienten bereits weit verbreitet ist und in Studien eine Ansprechrate zwischen 40 und 60 Prozent zeigt, wurde die Machbarkeit der therapeutische Trigeminusnerv-Stimulation (TNS) erst kürzlich nachgewiesen. Nichtinvasive Methoden wie die transkranielle Magnetstimulation (TMS), die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) oder die transkranielle Gleichstromstimulation (dDCS) sind in Epilepsie-Zentren noch nicht routinemäßig im Einsatz, werden aber intensiv beforscht. Die tiefe Hirnstimulation (DBS), bei der Stimulationselektroden in intrazerebrale Zielgebiete wie den vorderen Thalamuskern implantiert werden, ist seit kurzem in der EU zugelassen. „Die Anwendung von DBS bei Patienten mit Temporallappen-Epilepsie mit bilateral implantierten Elektroden führte in der Langzeitbeobachtung zu einer signifikanten Abnahme der Anfallshäufigkeit und der EEG-Anomalien zwischen den Anfällen“, so Prof. Prof. Boon. Eine US-basierte Multi-Center-Studie zur responsiven Neurostimulation (NeuroPace) zeigte nicht nur die Machbarkeit und Sicherheit des Verfahrens, sondern ebenfalls eine signifikante Abnahme der Anfallshäufigkeit in der Studiengruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen, wie Prof. Boon berichtete: „Die Langzeitdaten lassen die Annahme zu, dass die responsive kortikale und tiefe Hirnstimulation einen eindeutigen Mehrwert haben. Die Stimulation der Weißen Substanz ist derzeit Gegenstand weiterer Untersuchungen.“

MS: Auf dem Weg zur Immunisierung

Die zahlreichen Sitzungen und Präsentationen zum Thema Multiple Sklerose auf dem EAN-Kongress seien auch Beleg für die enormen Fortschritte, die in der Forschung zur Multiplen Sklerose derzeit zu beobachten sind, sagte Prof. Xavier Montalban, Vall d’Hebron Krankenhaus Barcelona. „Zu den wichtigen aktuellen Entwicklungen in unserem Gebiet gehören die ständige Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten, die Bemühungen um eine maßgeschneiderte, individualisierte Behandlung und neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Antigen-spezifischen Immunisierung.“

Die Wissenschaftler hoffen, dass Antigen-spezifische Therapien die unerwünschten Immunantworten, die für die MS typisch sind, zu unterdrücken, ohne aber die normale Immunfunktion zu beeinträchtigen, die zur Abwehrt von Infektionen und Krebszellen benötigt wird. Auf großes Interesse stieß die Präsentation von Ergebnissen der ETIMS Studie. „Kurz gesagt geht es bei diesem Ansatz darum, körpereigene Blutzellen mit unterschiedlichen Myelin-Peptiden zu verbinden, um dadurch eine Antigen-spezifische Toleranz zu erzielen. fasste Prof. Montalban zusammen. „Die Machbarkeit, Verträglichkeit und Sicherheit dieses neuen therapeutischen Ansatzes konnten damit gezeigt werden. Jetzt ist eine multizentrische Phase-IIa-Studie in Vorbereitung.“ Eine anderer Ansatz ist es, Myelin-Peptide über ein Pflaster zu verabreichen, wie Prof. Montalban berichtete: „Eine beeindruckende Studie, die ein polnisches Forscherteam aus Lodz durchgeführt und auf dem EAN-Kongress präsentiert hat, zeigt das immun-regulierende Potenzial einer transdermalen Immunisierung von MS-Patienten mit MS-Peptiden. In einer Phase-I-Doppelblinstudie mit 30 Patienten, die an schubförmig-remittierender MS litten, wurden eine deutliche Reduktion der Krankheitsaktivität gemessen. Das eröffnet den Weg zu neuen Verabreichungsformen von Peptide, immer auf der Basis eines Immunisierungskonzeptes.“

Mehr Details und weitere Pressemitteilungen zum EAN-Kongress: www.eaneurology.org/Press-room.1558.0.html