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Europaweit fordern Krankenversicherungen gemeinsam Nachbesserungen zum Schutz der Patienten

EU-Verordnungsentwurf für Medizinprodukte

Berlin – Brustimplantate mit hauchdünnen Hüllen, die leicht reißen und außerdem mit technischem Silikon gefüllt sind. Hüftprothesen, die viel zu früh versagen. Dünne Kabel von implantierbaren Defibrillatoren, die plötzlich unkontrolliert Stromstöße ins Herz schicken, Stents in Hirngefäßen, die Schlaganfälle vermeiden sollen und stattdessen das Risiko für diese verdoppeln. Der von der EU vorgelegte Verordnungsentwurf für Medizinprodukte sollte Antworten auf die jüngsten Skandale liefern. Doch die Erwartung, dass Patientenrechte gestärkt und Risiken des Einsatzes von Hochrisikomedizinprodukten am Patienten verringert werden, hat sich nicht erfüllt. Diese Verbesserungen gehören in die EU-Verordnung.

Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa sind sich über 50 Spitzenorganisationen der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung aus 15 EU-Mitgliedstaaten (European Social Insurance Platform – ESIP; Association Internationale de la Mutualité – AIM), die Herausgeber der Medikamentenbulletins (ISDB) und das „Medicines in Europe Forum“ (MiEF) einig, dass der Verordnungsentwurf nicht genügt, um die notwendige Sicherheit von Patienten zu gewährleisten.

In einem gemeinsamen Positionspapier fordern sie:

1. Das gegenwärtige Zertifizierungssystem durch private Benannte Stellen ist unzureichend, um Patienten wirksam zu schützen

– Zahlreiche Medizinprodukte, die in den USA gar nicht erst in den Verkehr gelangten, da die Vermarktung von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) nach dem dort geltenden Zulassungssystem präventiv versagt wurde, durften in Europa zunächst vermarktet werden und mussten später aus Sicherheitsgründen wieder vom Markt genommen werden.

2. Einführung eines zentralen Zulassungsverfahrens für Hochrisiko-Medizinprodukte erforderlich

– Anstelle des jetzigen CE-Zertifizierungsverfahrens durch private Benannte Stellen ist für Hochrisiko-Medizinprodukte ein zentrales Zulassungsverfahren auf europäischer Ebene vorzusehen, in dem sowohl Sicherheit und Wirksamkeit als auch ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis anhand der Ergebnisse qualitativ hochwertiger klinischer Studien zu belegen sind.

– Die Ergebnisse der klinischen Prüfungen müssen in einer öffentlich zugänglichen zentralen Datenbank hinterlegt werden.

– Für bereits in Verkehr befindliche Hochrisiko-Medizinprodukte ist ein Nachzulassungsverfahren vorzusehen, in dem Sicherheit und Wirksamkeit nachzuweisen sind.

3. Rechte geschädigter Patienten müssen gestärkt werden

– Um eine angemessene Deckungsvorsorge im Schadensfall sicherzustellen, müssen Medizinproduktehersteller zum Abschluss einer obligatorischen Haftpflichtversicherung in ausreichender Höhe verpflichtet werden, die Patienten im Schadensfall auch direkt in Anspruch nehmen können.

– Im Interesse geschädigter Patienten sowie der Kosten- bzw. Versicherungsträger sollte ein Recht auf Auskunft gegenüber dem Medizinproduktehersteller sowie den Aufsichtsbehörden gesetzlich normiert werden.

– Die Beweislast, ob ein fehlerhaftes Medizinprodukt für einen Gesundheitsschaden ursächlich geworden ist oder nicht, muss vom Patienten auf den Hersteller verlagert werden. Dem Patienten sollte nur noch der Nachweis der objektiven Möglichkeit der Schadensverursachung durch das Medizinprodukt obliegen.

Der EU-Verordnungsentwurf konzentriert sich in erster Linie auf eine verbesserte Transparenz und Marktkontrollen. Beides ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend.

Mit ihren Forderungen greifen die Sozialversicherungsträger deshalb die größten Schwächen des Entwurfs auf. So gibt es europaweit ungefähr 80 der sogenannten Benannten Stellen, die das CE-Siegel für Hochrisikomedizinprodukte vergeben können. Deren Anbieter können frei wählen, bei welchem dieser privatwirtschaftlichen Institute sie ihr Produkt prüfen lassen, so dass eine schnelle und komplikationslose Produktzulassung ein gewichtiges Auswahlkriterium sein könnte. Diesen Freiraum möchten sich die Anbieter auch bei ihren Studien erhalten. Doch belastbare, qualitativ hochwertige klinische Studien zum Nachweis des patientenrelevanten Nutzens im Vergleich zum Risiko wären ohne weiteres machbar. Das hat das Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erst vor kurzem bestätigt.

Der EU-Verordnungsentwurf wird jetzt im Europäischen Parlament und im Rat unter den Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten beraten. Der Deutsche Bundestag und Bundesrat sowie die anderen nationalen Parlamente haben die Möglichkeit, bis Ende November 2012 direkt gegenüber der EU-Kommission Stellung zu nehmen. Sollten keine Änderungen an dem vorliegenden EU-Verordnungsentwurf vorgenommen werden, würde dieser binnen drei Jahren geltendes Recht in den EU-Mitgliedstaaten.

Höhere Anforderungen an Hochrisikomedizinprodukte reduzieren nicht nur Patientenleiden. Geringere Komplikationsraten befreien auch das deutsche Gesundheitssystem von unnötigen Kosten. Nicht zuletzt könnten sich die Hersteller qualitativ hochwertiger Medizinprodukte in Europa mit einem Qualitätssiegel „Proved in Europe“ auf den nationalen und internationalen Märkten profilieren.

Gute Gründe, die Forderungen zum Wohle der Patienten noch in die EU-Verordnung einfließen zu lassen.