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Wartezeiten bei der Psychotherapieplatzsuche: “Schlichtweg eine Katastrophe, wenn man am Ende ist.”
Über die Hälfte der Betroffenen wartet länger als zwei Monate auf den Therapiebeginn, ein Viertel sogar länger als ein halbes Jahr. (Quelle: Deutsche DepressionsLiga e.V.)

Wartezeiten bei der Psychotherapieplatzsuche: “Schlichtweg eine Katastrophe, wenn man am Ende ist.”

Pressemitteilung

Schwaikheim, November 2011 – Wer an einer psychischen Erkrankung leidet und eine psychotherapeutische Behandlung benötigt, braucht einen langen Atem und viel Kraft und Energie, um einen freien Behandlungsplatz zu finden. Gerade Kraft-, Energie-, Antriebslosigkeit und Erschöpfung sind aber die Hauptsymptome der meisten psychischen Krankheiten, allen voran der Depression. Rund 370 Betroffene haben der Deutschen DepressionsLiga geschildert, wie es ihnen während der oft monatelangen Suche nach einem Psychotherapieplatz erging.

„Immer wieder fremden Menschen auf Anrufbeantworter sprechen, beharrlich für meine eigenen Interessen eintreten trotz Misserfolgen, immer wieder “den Fuß in die Tür” stellen, in Erstgesprächen bei völlig fremden Menschen das Innerste nach außen kehren kostete mich unendlich viel Kraft.” „Mein Mann hat die Telefonate übernommen, weil ich nach einigen Absagen nicht mehr dazu in der Lage war. Ich empfand es als demütigend und habe mir gewünscht, Krebs oder einen Herzinfarkt zu haben, weil man dann nicht so allein gelassen wird.“ Dies sind nur zwei Aussagen von Betroffenen. Die Hälfte der Teilnehmer an einer online-Umfrage der Deutschen DepressionsLiga (Juni-Oktober 2011, nicht-repräsentative Umfrage, 367 Teilnehmer) gaben an, dass die Suche sie sehr viel Kraft gekostet hat und sie teilweise sehr entmutigt waren – fatal für jemanden, der ohnehin mit Zukunftsängsten und Hoffnungslosigkeit zu kämpfen hat. Einige Betroffene gehen letztlich nach vergeblicher Suche zu einem nicht kassenzugelassenen Therapeuten und finanzieren ihre Therapie privat.

Nur ein Fünftel der Befragten hatte während der Wartezeit auffangende Kurzgespräche beim Psychiater oder Termine in einer Beratungsstelle oder Institutsambulanz. Fast einem Drittel ging es durch die Vielzahl von Absagen und die ausbleibende fachärztliche bzw. psychotherapeutische Behandlung schlechter, 15 % wurden voll- oder teilstationär behandelt, während sie warten mussten oder weil sie keinen ambulanten Therapieplatz fanden. Ein Drittel der Befragten blieb während der Therapieplatzsuche ganz ohne professionelle Unterstützung. Eine schwere Depression heilt auch mit optimaler Behandlung nicht wie eine Grippe in zwei Wochen aus; sie erschüttert den ganzen Menschen und die meisten Betroffenen brauchen lange, um Kraft, Zuversicht und Selbstvertrauen wiederzufinden. Mit zügig einsetzender Intervention lassen sich ein immer tieferes Abrutschen in die Hoffnungslosigkeit, völliger Rückzug und Suizidgefährdung gut abfangen. Eine Depression ist eine schwere Erkrankung, die schnellstmöglich behandelt werden muss, um eine Verschlimmerung bis hin zur Suizidalität, langer Arbeitsunfähigkeit und vorzeitiger Verrentung wirksam zu begegnen.

Besonders auffällig ist in den Umfrageergebnissen die sehr geringe Zahl derer, die bereits am Anfang ihrer Erkrankung Unterstützung durch eine Selbsthilfegruppe haben. Dabei spielt die Selbsthilfe bei Depressionen eine große Rolle: Sie bietet soziale Kontakte, die Betroffene häufig im Laufe ihrer Erkrankung verlieren, ist ein regelmäßiger Termin und Anlass, das Haus zu verlassen, und man findet Verständnis und gegenseitige Unterstützung im Umgang mit der Krankheit. Erstmals mit der Diagnose konfrontiert, fehlt Betroffenen eine Möglichkeit des Austauschs, denn die Angehörigen sind nur zu oft überfordert und können sich nur schwer in das erkrankte Familienmitglied hineinversetzen.

Zurzeit findet eine vorsichtige Annäherung an das Thema „Psychische Krankheiten“ statt. Seit dem Suizid von Robert Enke vor zwei Jahren ist zwar noch nicht die große Veränderung im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen eingetreten, aber Betroffene haben heute vielleicht doch eher die Einsicht und den Mut, sich Hilfe zu suchen. Auch werden mehr Depressionen auch Depression genannt und nicht in andere Diagnosen „verpackt“. Damit steigt die Zahl derer, die auch entsprechend behandelt werden müssen. Bereits ab 14 Tagen Dauer gilt eine Depression als behandlungsbedürftig. Aber: 35 % der Umfrageteilnehmer mussten über 4 Monate auf den Beginn der Psychotherapie warten, ein Viertel sogar länger als 6 Monate.

Eine schwere Depression bedeutet: Keine Kraft zum Arbeiten, oft nicht einmal für alltägliche Dinge wie Einkaufen und Kinder versorgen, und innere Leere, Starre, „Gefühl der Gefühllosigkeit“. Manche beschreiben die körperlichen Symptome der Depression „wie bei einer schweren Grippe – jede Anstrengung fällt schwer, massive Kraftlosigkeit, man will sich am liebsten gar nicht bewegen“ ohne dass aber ein Infekt vorliegt – und das wochen- und monatelang. Psychotherapie, die „sprechende Medizin“, bewirkt nachhaltig eine Verbesserung der Symptomatik, dies ist eindeutig belegt. Für Betroffene ist es deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb die Bedingungen, eine zeitnahe ambulante Behandlung zu erhalten, nicht nur nicht verbessert, sondern womöglich durch das Versorgungsstrukturgesetz noch verschlechtert werden, indem in rein rechnerisch überversorgten Regionen freiwerdende Praxissitze (Rente, Wegzug u.ä.) nicht wieder vergeben werden. Die Umfrage der DepressionsLiga ergab ein überraschendes Ergebnis: In Großstädten müssen Betroffene zwar nicht so weit fahren, um ihren Therapeuten zu erreichen. Aber sie warten nicht zwangsläufig kürzer. In der Großstadt und auf dem Land müssen jeweils gut die Hälfte der Betroffenen länger als 2 Monate warten und 38 bzw. 36 % länger als 4 Monate. Am schlechtesten sieht es nach dieser Umfrage in den Kleinstädten aus: Hier warten 64 % länger als 2 und 44 % länger als 4 Monate. Rechnerisch überversorgt nach den Maßstäben von 1999 heißt also nicht kurze oder sogar keine Wartezeiten.

Sozialpsychiatrische Dienste, die den Gemeinden angeschlossen sind, bieten Betroffenen Krisenintervention und eine erste Orientierung für die weitere Behandlung. Eine offensivere Information über dieses Angebot seitens der Gemeinden und auch durch die behandelnden Hausärzte könnte zu einer ersten Entschärfung der Situation Betroffener beitragen, denn viele wissen von dieser Möglichkeit nichts. Für die anschließende eigentliche Therapie sind die Behandlungskapazitäten jedoch derzeit mit Sicherheit nicht ausreichend.

Die vollständigen Umfrageergebnisse sind unter http://www.depressionsliga.de veröffentlicht.

Die Deutsche DepressionsLiga e.V. – von Betroffenen für Betroffene

Die Deutsche DepressionsLiga e.V. (DDL) wurde 2009 von Nutzern des größten deutschen Depressions-Diskussionsforums (diskussionsforum-depression.de) gegründet. Sie ist die bundesweite Patientenvertretung für depressiv erkrankte Menschen und setzt sich aus Betroffenen und Angehörigen zusammen. Die Ziele des gemeinnützigen Vereins sind Aufklärung und Entstigmatisierung, Angebote der Hilfe und Selbsthilfe für Betroffene und die Vertretung der Interessen Depressiver gegenüber Politik, Gesundheitswesen und Öffentlichkeit. Auf der Internetseite http://www.depressionsliga.de stellt die DDL eine Selbsthilfegruppen-Datenbank und eine Kliniksuchmaschine zur Verfügung. Betroffene ehrenamtliche Mitglieder bieten kostenlose E-Mail-Beratung an. Neben Vorträgen auf Fachtagungen ist die DDL an den Arbeitsgeberseminaren „Psychisch krank im Job. Was tun?“ und an der SeeleFon-Telefonberatung des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) beteiligt.

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Die Hälfte der Betroffenen muss mehr als drei Therapeuten anrufen, um überhaupt einen ersten Gesprächstermin zu erhalten. Doch vom Erstgespräch bis zum Therapiebeginn vergehen meist nochmals etliche Wochen bis Monate. (Quelle: Deutsche DepressionsLiga e.V.)