Mehr Reichweite im Gesundheitsmarkt

Schließen

Registrierung

Melden Sie sich noch heute an, um gezielt und effektiv Ihre Nachrichten in der Gesundheitsbranche verbreiten zu können.

Kontoinformationen

Ansprechpartner:in

Adresse

Kontakt

Es wurde eine E-Mail zur Bestätigung an Sie gesendet. Nach der Bestätigung sind Sie erfolgreich registriert.


Experten fordern auf Versorgungskongress mehr individuelle Betreuung und bessere Vernetzung – Diskussion über Zugang zu neuen Medikamenten

Versorgung von Frauen mit metastasiertem Brustkrebs weiter verbessern

Berlin – Rund 72.000 Frauen1 sind jährlich mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert. Bei etwa jeder vierten2 kommt es zu Metastasen. Diese Frauen können in der Regel nicht mehr geheilt werden und sterben meist innerhalb weniger Jahre3. Ihre Bedürfnisse mehr in den Mittelpunkt zu stellen, haben Experten auf einem Kongress in Berlin gefordert. Das betrifft vor allem ihre psychologische und medizinische Betreuung, die individuell und optimal vernetzt erfolgen müsse. Uneins waren sich die Fachleute hingegen, wie neue Arzneimittel in die Versorgung einfließen sollten.

„Nach einer guten Versorgung in Brustkrebszentren beginnt nach der Entlassung für viele Frauen eine Odyssee“, sagte Eva Schumacher-Wulf, Herausgeberin des Brustkrebsmagazins „Mamma Mia“. Anlass war ein vom IGES Institut und dem Pharmaunternehmen Novartis ausgerichteter Versorgungskongress am 9. November, an dem niedergelassene und Krankenhausärzte, Vertreter von Kassen, Politik und Patientinnen teilnahmen. Schumacher-Wulf forderte eine verbesserte Versorgung, die interdisziplinär und sektorenübergreifend organisiert sein müsse und Frauen bei Bedarf auch einen unterstützenden „Lotsen“ an die Seite stelle.

In eine ähnliche Richtung ging der Appell von Professor Stephan Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO). Er plädierte dafür, angesichts der komplexen Versorgung des metastasierten Brustkrebses mit regelmäßiger Diagnostik und unterschiedlichen Therapeuten einen behandlungsverantwortlichen Onkologen zu definieren, der über alle Behandlungsschritte den Überblick behalte.

Christoph J. Rupprecht, Leiter des Stabsbereichs Gesundheitspolitik und Ge-sundheitsökonomie der AOK Rheinland/Hamburg hob die wichtigen Fortschritte in der Versorgung durch zertifizierte Brustkrebszentren hervor. Von ihnen müssten mehr Frauen profitieren. Zur Verbesserung der Versorgung von Frauen mit metastasiertem Brustkrebs schlug Rupprecht vor, eine Mindestfallzahl für Behandlungszentren zu prüfen.

Dr. Barthold Deiters, Leiter Arzneimittel bei der GWQ ServicePlus AG, sieht auch in der Onkologie die zwingende Notwendigkeit, über Selektivverträge Einsparungen für die Kassen zu heben. Für eine aktive Steuerung der Patienten seien Kassen dagegen „zu weit entfernt vom Patienten“. Aufgrund des schnell wachsenden Wissens in der Krebstherapie und nur begrenzter Verfügbarkeit von allen therapierelevanten Parametern in den Abrechnungsdaten der Kassen könnten nur behandelnde Onkologen die richtige Therapieentscheidung treffen.

„Die Versorgung von Frauen mit metastasiertem Brustkrebs verdient unsere volle Aufmerksamkeit“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete, Martina Stamm-Fibich. Sie forderte, die für Betroffene dringend benötigte psychoonkologische Beratung zur Regelleistung gesetzlicher Krankenkassen zu machen, damit sie mehr Frauen zur Verfügung stehe.

Behandlungsziel bei metastasiertem Brustkrebs ist es Leitlinien zufolge, das Fortschreiten der Erkrankung­ die Progression ­ zu verhindern oder zu verzögern, Symptome zu lindern und Lebensqualität zu erhalten. Hauptsäule dabei sind Arzneimittel. Wie in dieser Situation jedoch der Nutzen eines neuen Wirkstoffes bewertet werden sollte, war unter den Experten umstritten. Auch international gibt es Unterschiede, welche Bedeutung Behörden bei der Nutzenbewertung etwa dem progressionsfreien Überleben (PFS4) zumessen, also der Zeit des Stillstands der Krebserkrankung. Einzig in Deutschland fließe dies in die Nutzenbewertung derzeit nicht ein, wie mehrere Experten betonten.

„Studien zeigen, dass die Progression einen starken Einfluss auf die empfundene Lebensqualität hat“, sagte Professor Diana Lüftner, Onkologin und Oberärztin an der Charité Berlin. Solange Daten zum generellen Überleben fehlten, sei das PFS daher eine geeignete Basis für die Bewertung und für individuelle Therapieentscheidungen. Zugleich forderte sie, Studien zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität weiter zu verbessern, um sie mehr in die Nutzenbewertung einbeziehen zu können.

Auch Hans-Holger Bleß, Leiter des Bereichs HTA5 und Value Strategy am IGES, plädierte für eine Anerkennung des PFS „mit Augenmaß“ bei der Nutzenbewertung. Dies sei ethisch und methodisch geboten. Er warnte bei fehlender Anerkennung und negativen Bewertungen vor Marktrücknahmen neuer Wirkstoffe und Nachteilen für die Versorgung. Auch Lüftner betonte: „Wir dürfen keine Substanzen aufgrund methodischer Diskussionen verlieren.“

Thomas Müller, Leiter der Abteilung Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), verwies darauf, dass der G-BA durchaus Ersatzparameter zur Bewertung eines patientenrelevanten Zusatznutzens neuer Therapien heranziehen könne. Das PFS sei jedoch nicht nur im G-BA umstritten, weil so der Gesundheitszustand auf Basis radiologischer Diagnostik beurteilt werde. „Der G-BA kann nur auf Basis von patientenrelevanten Daten entscheiden“, so Müller. Dies sei im Rahmen des solidarischen Gesundheitssystems geboten. In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe es keine Rationierung von Therapien aufgrund von Kosten, aber eine strenge Prüfung der Evidenz zum Zusatznutzen gegenüber dem Therapiestandard.

Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, kritisierte eine vor allem juristisch begründete Nutzenbewertung, da diese zu weit vom Patienten und vom entscheidenden Arzt entfernt sei. Er schlug vor, bei noch unzureichender Datenlage, Innovationen zunächst in Zentren und deren Netzwerken mit dem Ziel der Evidenzgenerierung einzusetzen.

Deutlich wurde auf dem Kongress, dass die Versorgung von Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs weiterhin eine Herausforderung für alle bleibt, Lösungen zur Weiteentwicklung im derzeitigen Gesundheitswesen aber möglich sind.

Informationen zur Veranstaltung unter:

www.iges.com/veranstaltungen/iges-veranstaltungen/brustkrebs

1 Robert Koch-Institut. Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016. November 2016.
2 ESMO. Locally recurrent or metastatic breast cancer ESMO.2012, DGHO (Hrsg.): Mammakarzinom der Frau – Leitlinie ICD-10: C50.0 – 50.9. Stand: Juni 2016
3 Deutsche Krebsgesellschaft. Der Erkrankungsverlauf bei Brustkrebs. 2017
4 PFS: engl. “progression free survival”, Überleben ohne Fortschreiten (Progression) der Erkrankung
5 HTA: engl. Health Technology Assessment (Systematische Bewertung von medizinischen Verfahren und Technologien)

Über das IGES Institut: Forschen – Entwickeln – Beraten für Infrastruktur und Gesundheit
Das IGES Institut wurde 1980 als unabhängiges Institut gegründet. Seither wurde in über 2.000 Projekten zu Fragen des Zugangs zur Versorgung, ihrer Qualität, der Finanzierung sowie der Gestaltung des Wettbewerbs im Bereich der Gesundheit gearbeitet. In jüngerer Zeit wurde das Spektrum auf weitere Gebiete der öffentlichen Daseinsvorsorge ausgeweitet: Mobilität und Bildung. Das IGES Institut gründet seine Arbeit auf hohe Sach- und Methodenkompetenz und bietet in allen Arbeitsgebieten einen breiten Zugang zu eigenen und zu Datenquellen anderer Institutionen. Gemeinsam mit den Unternehmen CSG und IMC (beide Berlin), AiM (Lörrach) sowie HealthEcon (Basel) beschäftigt die IGES Gruppe mehr als 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.