4. Europäischer Kongress für Integrative Medizin (ECIM, 7.-8.10.2011). Berlin - Bericht / Interview
Integrative Medizin - In Deutschland noch in den Kinderschuhen, aber mit Zukunft
Berlin – Obwohl der Begriff "Integrative Medizin"(IM) schon seit knapp 20 Jahren existiert und sich ausbreitet, ringt die medizinische Fachwelt bis heute um eine einheitliche Definition, stellte Prof. Dr. Benno Brinkhaus, Kongresspräsident des diesjährigen "4. Europäischen Kongresses für Integrative Medizin" (ECIM) bei der Eröffnung der international besuchten Veranstaltung fest. In seinem Vortrag machte er deutlich, dass dies nicht Ausdruck von Unvermögen ist, sondern die Dynamik dieser neuen Medizin wiedergibt, die in Deutschland vielerorts noch in den Kinderschuhen steckt und die Medizin der Zukunft gravierend verändern könnte. In den USA hingegen ist die Integrative Medizin bereits fest in der Patientenversorgung verankert, wie einer der renommiertesten Vertreter der Integrativen Onkologie, Prof. Dr. med. Gary Deng, New York, in einem Interview feststellte.
Schon der Vater der modernen Psychosomatik, Thure von Uexküll (1908-2004), versuchte das moderne Bild des Menschen als einer biochemischen Maschine in seiner ÂIntegrierten Medizin zu überwinden. Ãhnliches wurde, aber aus der Komplementärmedizin (englisch Complementary and Alternative Medicine, CAM) stammend, mit der Idee der ÂIntegrativen Medizin versucht. Doch alleine die Forderung nach ÂGanzheitlichkeit oder nach ÂIntegration von evidenzbasierten CAM-Verfahren in die breite medizinische Versorgungswirklichkeit erwies sich als unbefriedigend. Denn trotz überzeugender Hinweise, dass beispielsweise Prävention als integraler Bestandteil der IM erfolgreich und unverzichtbar ist, behindert eine oft klassische Rollenverteilung zwischen Patienten und Ãrzten die Umsetzung entsprechender Konzepte. Mittlerweile ist klar, dass Integrative Medizin eine Medizin auf Augenhöhe ist, bei der Ãrzte ihren Patienten jenseits der körperorientierten Medizin zusätzliche  komplementäre  Handlungsoptionen für ihren Umgang mit Gesundheit und Krankheit aufzeigen. Dies erfordert, so Brinkhaus, von Patienten unter anderem ein deutliches Mehr an Selbstverantwortung oder Eigenbeteiligung und von den Ãrzten, weiteren Therapeuten oder Pflegekräften unter anderem eine verstärkte empathische Zuwendung zu ihren Patienten. Integrative Medizin ist somit keine neue Mischung bestehender Methoden, sondern beschreibt fundamentale Ãnderungen unter anderem auch des individuellen Patienten-Arzt-Verhältnisses. Mit Menschlichkeit die moderne Hochleistungsmedizin zu befruchten, als Arzt Âdie Kunst des Heilens auszuüben, so Brinkhaus, bedeutet eine groÃe Herausforderung für die Medizin insgesamt.
Integrative Krebsmedizin in den USA kein Wunschtraum mehr
Der Komplementärmediziner Deng, Präsident der US-Gesellschaft für Integrative Onkologie, arbeitet und forscht am Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC) in New York, nach US-Einschätzung die zweitrenommierteste Krebsklinik der Welt. In seinem Grundsatzreferat stellte er die rasante Entwicklung der Integrativen Onkologie in den USA dar, die auch neue Chancen für die ganzheitliche Nachsorge umfasst. Besonders bemerkenswert ist, so Deng, dass die staatliche Forschungsförderung der USA primär an den vitalen und eindeutigen Patienteninteressen ausgerichtet ist  auch hinsichtlich der komplementären und alternativen Medizin. Dies zeigt sich nicht zuletzt an staatlichen Forschungsaufwendungen von mehr als 250 Millionen US-$ pro Jahr in diesem Bereich (vor allem erbracht über das National Center for Complementary and Alternative Medicine  NCCAM und das National Cancer Institute  NCI). Die Aufwendungen der deutschen Bundesregierung in dem gleichen Forschungsbereich erreichen gerade mal ein Tausendstel dieser Summe. GroÃe und für Patientenversorgung und Forschung gleichermaÃen wichtige Einrichtungen wie die 1999 in Essen etablierte ÂKlinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin (Direktor Prof. Dr. med. Gustav J. Dobos) sind in Deutschland noch selten. Während die Integrative Onkologie in den USA also zu einem real existierenden Element der onkologischen Versorgung geworden ist, bleibt sie in Deutschland oft nur ein Wunschtraum. Wir sprachen über dieses Thema mit Prof. Dr. med. Gary Deng vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC), New York.
Das vollständige Interview finden Sie auf der Website http://www.multiMEDvision.de (http://mmv.info ).
Veranstaltung: 4. Europäischer Kongress für Integrative Medizin (ECIM). Berlin 7.-8.10.2011. Kongresspräsidenten: Prof. Dr. Benno Brinkhaus, Berlin, Prof. Dr. Gustav Dobos, Essen und Dr. Ines von Rosenstiel, Amsterdam. Veranstalter: European Congress for Integrative Medicine in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kongress für Integrative Medizin (http://www.ecim-congress.org ).