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„Ziele und Methoden der Suchtbehandlung: Neue Herausforderungen!“ 25. – 27. Juni 2014
Neue Herausforderungen durch die Veränderungen von Konsummustern Abhängiger

Pressestatement zum 27. Heidelberger Kongress

Bonn – Dank jährlich aktualisierter repräsentativer Umfragen und Prävalenzstudien werden in Deutschland neue Trends beim Gebrauch psychotrop wirkender legaler und illegaler Substanzen frühzeitig erfasst. Die nationalen Studien werden in Kooperation mit der Europäischen Beobachtungsstelle von der deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und dem Institut für Therapieforschung (IFT) München durchgeführt. Zusätzlich erscheint jedes Jahr eine Deutsche Suchthilfestatistik, an der auch Einrichtungen des FVS beteiligt sind, durch die Trends in stationären und ambulanten Rehabilitationseinrichtungen erfasst werden.

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland in den Prävalenzquoten des Alkohol- und Drogenkonsums im oberen positiven Drittel der europäischen Länder (s. EMCDDA 2013; Shield et al. 2011; WHO 2013), so dass die häufig vertretene These einer misslungenen Drogenpolitik nicht haltbar ist. Trotzdem gibt es auch in Deutschland Trends im Gebrauch psychotroper Substanzen, die beobachtet werden müssen, um mit präventiven und therapeutischen Maßnahmen rechtzeitig reagieren zu können.

Besonders wichtig ist die Beobachtung des Drogengebrauchs bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, denn je früher mit Nikotin, Alkohol oder Drogen begonnen wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine spätere Abhängigkeit und die Notwendigkeit einer Therapie. Die neuesten repräsentativen Studien (Stand: April 2014) zeigen sowohl erfreuliche als auch bedenkenswerte Ergebnisse.

1. Tabak

Die Prävalenzquote des Rauchens ist in den letzten 10 Jahren bei den 18 bis 25jährigen um 21 % und bei den 12 bis 17jährigen um 56 % gesunken (BZgA 2013).

2. Alkohol

Auch die Prävalenzquoten des Alkoholkonsums haben sich in den letzten Jahren stark reduziert. Im Vergleich 2004 zu 2012 ist bei den 12 bis 15jährigen die Prävalenzquote um 47 % und bei den 16 bis 21jährigen um 10 % und bei den 22-25jährigen um 5 % gesunken.

Das Rauschtrinken Jugendlicher und junger Erwachsener, ein Prädiktor für spätere Abhängigkeit, hat sich in den letzten Jahren von 2004 bis 2011 bei Teilgruppen erheblich reduziert. Dies betrifft insbesondere die 12 – 15jährigen, welche auch in 2012 noch deutlich weniger in den letzten 30 Tagen exzessiv Alkohol getrunken hatten. Bei den 16 – 17jährigen ist kein klarer und dauerhafter Trend erkennbar, bei den 18 – 25jährigen gibt es hingegen kaum Veränderungen (BZgA 2014). Es werden aber mehr Jugendliche auffällig durch Alkoholvergiftungen und Straftaten unter Alkohol. Im Vergleich der Jahre 2000 zu 2012 hat der Anteil von Krankenhausbehandlungen wegen Alkoholvergiftungen bei den 15 bis 19jährigen um 210 % zugenommen (Statistisches Bundesamt 2013). Der Anteil von kriminellen Handlungen unter Alkohol1, vorwiegend Gewaltdelikte, ist beispielsweise im Freistaat Bayern im fast gleichen Zeitraum um 50 % bei den 14 bis 17jährigen, um 70 % bei den 18 bis 20jährigen und um 79 % bei den 21 bis 24jährigen gestiegen. Insbesondere an den Wochenenden hat sich die Anzahl von Körperverletzungen unter Alkoholeinfluss verdoppelt (Özsöz 2014).

Auch wenn der Rückgang des problematischen Alkoholkonsums und der Prävalenzquoten im internationalen Vergleich erfreulich ist, darf nicht übersehen werden, dass immer noch 6,3 % der 12 bis 15jährigen, 39,7 % der 16 bis 17jährigen, 45,8 % der 18 bis 21jährigen und 42,4 % der 22 bis 25jährigen an wenigstens einem Tag im Monat exzessiv Alkohol trinken. Der eingangs erwähnte positive Abwärtstrend lässt sich bei genauerer Betrachtung für die letzten beiden Jahre für höhere Altersgruppen nicht mehr feststellen. In der Gruppe der 18 bis 25jährigen hat die Prävalenz des Rauschtrinkens von 2010 bis 2012 sogar wieder leicht zugenommen, d.h. der positive Abwärtstrend scheint seit 2010/2011 leider gestoppt.

So kann man nur der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, zustimmen, dass „der hohe Anteil junger Erwachsener, die sich regelmäßig in einen Rausch trinken, beunruhigend ist“ und dass „ein gesellschaftliches Umdenken zu einem verantwortungsvollen Alkoholkonsum“ notwendig ist (Pressemitteilung 7.4.2014).

Zusammenfassend lässt sich sagen, die Anzahl der Jugendlichen mit sehr problematischem Alkoholkonsum ist in den letzten 10 Jahren gesunken, aber diejenigen, die trinken, trinken exzessiver.

3. Illegale Drogen

Auch der Konsum von Cannabinoiden, der häufigsten illegalen Droge in Europa, ist rückläufig. Bei den 12 bis 17jährigen hat sich die Prävalenz, bezogen auf 30 Tage, in Deutschland zwischen 2001 und 2011 um 41 % und bei den 18 bis 25jährigen um 10 % reduziert (BZgA 2012). Im Jahr 2012 ist am höchsten die 12-Monats-Prävalenzquote bei den 18-20jährigen (16,2%), gefolgt von den 21-24jährigen (13,7%) und den 25-29jährigen (9,8 %). Bei den Männern ist die Prävalenzquote doppelt so hoch im Vergleich zu den Frauen. Nach Cannabis folgen bei den 18-20jährigen als häufigste Droge Amphetamine (1,6 %), Kokain (1,4 %) und Ecstasy (0,7 %) und bei den 25-29jährigen Amphetamine (2,4 %), Ecstasy (1,7 %) und Kokain (1,5 %) (Pabst et al. 2013). Der Konsum sogenannter „Neuer Psychoaktiver Substanzen“ wie Spice, Smoke, Badesalzen, teils über Internet angeboten, liegt bei 0,6 % in der Gesamtbevölkerung und ist mit 2,5 % Lebenszeitprävalenz am höchsten bei den 25-29jährigen (Pfeiffer-Gerschel et al. 2013).

Im Bericht zur Rauschgiftlage 2013 der Bundesdrogenbeauftragten sowie des Präsidenten des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke (17.4.2014), blieb die Zahl der erstauffälligen Konsumenten von Amphetamin bzw. Methamphetamin zwar 2013 nahezu konstant, jedoch stieg deren Zahl bei kristallinem Methamphetamin – dem sogenannten Crystal – in 2013 auf 2.746 (2012: 2.556 EKhD2) an. Dies entspricht einer Zunahme von ca. 7 %. Der größte Anstieg erstauffälliger Konsumenten harter Drogen war beim illegalen Konsum von Ecstasy mit knapp 18 % (1.480 EKhD) zu verzeichnen. Dies korrespondiert mit einer Zunahme der polizeilich bekannt gewordenen Fälle um etwa 25 % (2.233 Fälle) sowie einem deutlichen Anstieg der sichergestellten Mengen um rund 53 % gegenüber 2012.

Die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat im März dieses Jahres im Rahmen einer Pressemitteilung betont, dass „die Prävention des Missbrauchs von Amphetaminen und Methamphetamin eine große Herausforderung werden wird“. Das Problem mit Crystal besteht derzeit insbesondere in den grenznahen Regionen zu Tschechien und der Slowakei.

4. Multipler Konsum von Suchtmitteln

Eine weitere Herausforderung für Prävention und Therapie besteht durch eine Zunahme des multiplen Konsums von psychotropen Substanzen. Nach Erhebungen des Epidemiologischen Suchtsurveys (ESA, 2012) weisen mehr als 80 % der Personen mit einer Cannabis-, Schlafmittel- oder Kokaindiagnose mindestens eine weitere Diagnose auf. Die höchsten Komorbiditätsraten lagen bei Kokain mit Alkohol (73,6 %) und Schmerzmitteln (69,1 %) und bei Amphetaminen mit Cannabis (73,4 %) und Alkohol (67,9 %) vor (Piontek et al. 2013).

Auswirkungen des Substanzkonsums aus die Suchtbehandlung

Während in den Drogenrehabilitationseinrichtungen der Mischkonsum illegaler und legaler Suchtmittel von Patienten im Vorfeld der Behandlung bereits eine längere Tradition hat, ist ein entsprechender Trend mittlerweile auch in Fachkliniken für Alkoholabhängige zu beobachten. War es vor ca. 15 Jahren noch eine Seltenheit, dass ein alkoholabhängiger Patient auch Erfahrungen mit illegalen Drogen hatte, liegt die Quote der Alkoholabhängigen mit einer Zusatzdiagnose Drogenabhängigkeit derzeit bei ca. 8 %. Die häufigste zusätzliche Abhängigkeit ist Cannabis gefolgt von Sedativa und Stimulanzien und schließlich der multiple Gebrauch von Drogen (Domma-Reichart 2014). Am stärksten haben bei Patienten mit der Erstdiagnose Alkoholabhängigkeit Störungen mit Amphetaminen (+42 %) und MDMA (+15 %) im Vergleich 2008 zu 2012 zugenommen. Störungen durch Barbiturate, Crack, Stimulanzien und LSD haben hingegen bei den alkoholabhängigen Patienten stark abgenommen (s. Pfeiffer-Gerschel et al. 2009, 2013).

Auf Grundlage der in den nationalen Suchtsurveys dokumentierten Veränderungen in Konsum­mustern der Abhängigen haben verschiedene Sucht-Rehabilitationskliniken bereits mit neuen Therapieangeboten reagiert, was nach Bekanntwerden der Angebote zu einer Zunahme von Patienten mit multiplen Substanzgebrauch um ca. 20 % führte. Die strikte Trennung der Behandlung Alkohol- und Drogenabhängiger wurde damit teils aufgehoben.

Somit müssen Fachkliniken für Alkohol und Medikamente Patienten behandeln, die einen Mischkonsum mit illegalen Drogen aufweisen und umgekehrt müssen Fachkliniken für Drogen auch den Konsum von Alkohol in der Behandlung thematisieren. Zudem müssen sich die Einrichtungen auf die Besonderheiten des Konsums „neuer“ Drogen wie z.B. Crystal einstellen. Erste Ergebnisse mit den neuen Therapieangeboten, welche die strikte Trennung von Alkohol- und Drogenabhängigkeiten aufheben, und diese gemeinsam behandeln, sind durchaus Erfolg versprechend.

1Im Unterschied zu den anderen Studien handelt es sich um eine Erhebung, die sich auf Bayern beschränkt
2EKhD: Erstkonsumenten harter Drogen