Berlin – Immer mehr hochpreisige Arzneimittel bzw. Behandlungsmethoden v. a. zur Behandlung von Krebs drängen auf den Markt. Darunter auch Ende 2018 zwei Verfahren der CAR-T-Zelltherapie gegen aggressive Formen von Blutkrebs. Doch die neuen Therapien sind oft mit hohen Risiken für die Patienten verbunden, der Langzeitnutzen ist noch unbekannt und die Arzneimittelkosten sind mit mindestens 275.000 Euro pro Patient (zuzüglich Behandlungskosten) sehr hoch. Insgesamt kommt die Therapie nur für bis zu 1.400 Patient(innen)en in Frage. „Die Ersatzkassen wollen diesen schwerkranken Versicherten die erhofften Innovationen rasch zugänglich machen, sie wollen aber auch, dass dies kontrolliert passiert. Nutzen und Qualität müssen im Vordergrund stehen, keine Gewinninteressen von Pharmaherstellern“, so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek).
Deshalb hat der vdek gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und mit Unterstützung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) sowie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) Forderungen aufgestellt, wie eine kontrollierte Einführung in die Regelversorgung aussehen sollte. Kernforderung ist die Erprobung dieser hochrisikoreichen und teuren Behandlungsverfahren zunächst in wenigen Innovationszentren, in der Regel Universitätsklinika, mit hohen Qualitätsstandards, festgelegt durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Erst wenn das Verfahren evaluiert und der Nutzen nachgewiesen ist, sollte die Behandlungsmethode in der Regelversorgung zugelassen und von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) regelhaft finanziert werden.
Das Wissen über Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie ist noch begrenzt
Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft, sagt hierzu: „Für austherapierte Patient(inn)en kann der rasche Zugang zu dieser vielversprechenden Innovation über Leben oder Tod entscheiden. Andererseits ist das Wissen über Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Verfahrens zum Zeitpunkt der Zulassung begrenzt. Ob sich die CAR-T-Zelltherapie im Versorgungsalltag als effizient und sicher erweist, muss sich erst noch zeigen. Entscheidend für die Patient(inn)en: Der zeitnahe Zugang zu dieser Therapie sollte für alle möglich sein, die davon profitieren können.“
Hohe Standards bei Erstzulassung, für die Behandlung und deren Evaluierung
Zudem fordern die beteiligten Organisationen, dass die Standards bei der Erstzulassung der neuen Medikamente als Orphan Drugs im beschleunigten Verfahren durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA nicht abgesenkt werden dürften. „Auch an die behandelnden Einrichtungen müssen hohe Qualitäts- und Strukturanforderungen gestellt werden“, so Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. Nach seiner Auffassung muss der Gemeinsame Bundesausschuss den im neuen Gesetz zur Sicherung der Arzneimittelversorgung (GSAV) geschaffenen Rahmen nutzen, um frühzeitig mit den Experten und den Fachgesellschaften angemessene Mindestanforderungen für die Einführung innovativer Therapien festzulegen. Durch die im GSAV ebenfalls geregelte Dokumentationspflicht werden gleichzeitig Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Therapien im deutschen Versorgungskontext generiert.
Eigenherstellung von neuen Medikamenten an Innovationszentren möglich machen
Um der exorbitanten Preisentwicklung bei neuen Medikamenten Einhalt zu gebieten, setzen sich die Beteiligten zudem dafür ein, dass die Erforschung und Entwicklung neuer Gen- und komplexer Zelltherapieverfahren in Zukunft auch industrieunabhängig in den Innovationszentren möglich sind und auch abgerechnet werden können. Ralf Heyder, Generalsekretär des VUD, erklärt hierzu: „Ziel ist es, dass Zentren rechtssicher und wirtschaftlich tragbar „Eigenherstellung“ betreiben können. Denn wir wollen uns bei diesen Innovationen nicht völlig abhängig von der Industrie machen.“
Nach Auffassung aller beteiligten Organisationen sollten die für die Hersteller geltenden Regeln bei der Preisbildung von Arzneimitteln für die Behandlung von Seltenen Erkrankungen rechtlich so gestaltet sein, dass die Solidargemeinschaft nicht überfordert wird. Die Förderung der Eigenherstellung dieser Arzneimittel ist auch aus ihrer Sicht eine Möglichkeit, der Preispolitik der Pharmaindustrie Grenzen aufzuzeigen.