Vor zehn Jahren wurde das Präventionsgesetz verabschiedet – ein Statement von SBK-Vorständin Dr. Gertrud Demmler
München. Seit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes am 25. Juli 2015 hat sich viel bewegt: Gesundheitsförderung ist stärker in den so genannten Lebenswelten wie Kitas, Schulen, Betrieben und Kommunen verankert. Gesetzliche Krankenkassen investieren heute gezielter und strukturierter in die Prävention – auch in sozial benachteiligten Lebenswelten. Doch bei allem Fortschritt gibt es auch Hürden: Langfristig wirkende Programme vor Ort erfordern engagierte Partnerschaften. Nicht alle Bereiche sind gleichermaßen gut erreichbar. Das Jubiläum des Präventionsgesetzes bietet Anlass, Erfolge zu würdigen. Gleichzeitig gilt es, das Gesetz nun weiterzuentwickeln.
Das Präventionsgesetz hat Prävention stärker in den Lebenswelten verankert. Dort werden Menschen direkt in ihrem Alltag erreicht. So wirken Maßnahmen nachweislich besser. Doch wir können noch großes Potenzial heben: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Nur wenn wir die gesamten Rahmenbedingungen so gestalten, dass eine gesunde Lebensführung einfach ist, können wir mehr Gesundheit erreichen. Noch zu häufig werden vor allem Maßnahmen gefördert, die auf ein gesünderes Verhalten Einzelner abzielen. Um nachhaltig zu wirken, sollten sie um Maßnahmen zur langfristigen Verhältnisprävention ergänzt werden. Das können beispielsweise Konzepte für gesündere Ernährung sein. Ebenso dazu gehört, dass wir beispielsweise mit Krankenhäusern und Rehakliniken über einen Pakt für gesundes Essen reden. Mit der Politik müssen wir für eine bessere Ernährung um mehr Transparenz vonseiten der Nahrungsindustrie ringen. Aber auch die Grundkompetenzen guter Ernährung, die schon in der Zubereitung liegen, sollten wir im Setting Kita und Schule stärker in den Fokus nehmen. Manches ist also schon heute möglich, verlangt aber den gemeinsamen strategischen Einsatz der relevanten Stakeholder.
Künstliche Grenzen zwischen den Lebenswelten abschaffen
Ich wünsche mir, dass wir in den Lebenswelten künftig flexibler agieren können. Wir möchten übergreifend handeln und brauchen keine fiktiven Grenzen an den Türen der Betriebe oder Kitas. Besonders das soziale Umfeld wie Eltern, Partnerschaften oder Freundschaften sollten stärker einbezogen werden. Besonders wichtig ist es auch, die digitale Welt mitzudenken. Gerade Jugendliche verbringen sehr viel Zeit in Videospielen und sozialen Netzwerken. Entsprechend brauchen wir gute Ansätze, um die Menschen auch dort zu erreichen.
Die Rolle der Ärztinnen und Ärzte stärken
Das Präventionsgesetz ermöglicht es Arztpraxen, auch Kurse der Krankenkassen zu verordnen. So können Versicherte bei Bedarf gezielt von Kursen für Sport oder gesunde Ernährung profitieren. Das kann dazu führen, dass Arzneimittel oder invasive Therapien nicht nötig sind. Doch die bisherigen Verordnungsmöglichkeiten werden bislang nicht zielführend eingesetzt. Das gerade diskutierte Primärversorgungsmodell bietet uns die Möglichkeit, die Prävention in den Praxen neu zu denken und zu stärken. Mithilfe integrierter Vergütungsmechanismen können wir dafür sorgen, dass Prävention als integraler Bestandteil der Patient Journey mitfinanziert wird und nicht nur hauptsächlich eine Rolle spielt, wenn die Arbeitsfähigkeit einer Person gefährdet ist.
Eine weitere Chance stellt die elektronische Patientenakte dar: Mit ihrer Hilfe können wir zielgerichtet aktiv werden, bevor Krankheiten ausbrechen oder chronisch werden. Teilen Versicherte beispielsweise ihre Daten aus der ePA mit der Krankenkasse, könnte diese bei Symptomen wie Rückenschmerzen oder Bluthochdruck gezielt auf die Versicherten zugehen und ihnen bedarfsgerechte Angebote machen. Erfahrungsgemäß sind solche gezielten Ansprachen sehr viel erfolgversprechender als der anlasslose Aufruf zu mehr Bewegung oder gesunder Ernährung.
Prävention vor Behandlung: Zusammenarbeit bringt den Erfolg
Damit Gesundheitsförderung langfristig wirkt, müssen sich Maßnahmen sinnvoll ergänzen. Wir brauchen Städte und Kommunen, die ein gesundes Leben fördern. Begeisternde Programme in Kitas, Schulen, Berufsbildung und im Familienleben begleiten Menschen in allen Lebensphasen. Arztpraxen und Krankenkassen unterstützen einen gesunden Lebensstil. Eine besondere Chance für die Lebenswelt „Arbeitsplatz“ sehe ich darin, die Betriebsärztinnen und –ärzte viel stärker einzubinden. Das sind nur einige Bausteine, die für ein gesundes Leben zusammenwirken sollten. Das gelingt, wenn alle besser zusammenarbeiten. Um das zu ermöglichen, sollte das Präventionsgesetz im Sinne des Health-In-All-Policies-Gedanken flexibler gestalten werden. Zusammenarbeit sollte auch über das Gesundheitswesen hinaus gefördert werden. Der Lohn wäre für uns alle hoch: Ein gesünderes Leben steigert die Lebensqualität und entlastet Pflege und Versorgung – finanziell wie personell.“
Zusammengefasst: Sechs Vorschläge, um das Präventionsgesetz zu verbessern
- Gesunde Nahrungsangebote in Krankenhäusern und Rehakliniken
- Soziales Umfeld stärker einbeziehen
- Prävention in digitalen Lebenswelten (z. B. Social Media) verankern
- Die Rolle der Primärversorgungspraxen bei der Prävention stärken
- Betriebsärztinnen und –ärzte stärker einbinden
- Die Potentiale der anlassbezogenen Kommunikation und Beratung durch die Krankenkassen nutzen
Zahlen zeigen: Das Gesetz wirkt (noch nicht genug)
Das Präventionsgesetz hat in den letzten Jahren einiges in Bewegung gesetzt, auch wenn die Krankheitsorientierung im Gesundheitswesen nach wie vor ungebrochen ist.
Das zeigen auch die Zahlen:
- Die Ausgaben der SBK für Gesundheitsförderung in den nichtbetrieblichen Lebenswelten sind seit 2015 um ca. 190 % gestiegen. (Quelle: SBK intern)
- Für betriebliche Gesundheitsförderung stiegen die SBK-Ausgaben um ca. 60 %. (Quelle: SBK intern)
- Von 2015 bis 2023 hat sich die Zahl der Einrichtungen, in denen die Krankenkassen Gesundheitsprogramme fördern, von 24.420 auf 46.971 fast verdoppelt. (Quellen: Präventionsbericht der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen 2024)
- Die GKV weiten Ausgaben für Prävention sind rund 100% von 317 Mio. in 2015 Euro auf 631 Mio. Euro in 2023 gestiegen. (Quellen: Präventionsbericht der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen 2024 und 2016)
- Wichtig zu wissen: Das Budget des Gesundheitsfonds umfasst knapp 300 Mrd. Euro. Die Ausgaben für Prävention sind davon gerade mal ein halbes Prozent. (Quelle: Schätzerkreis Krankenkassen)
Hintergründe zum Präventionsgesetz finden Sie auf der Seite des BMG.
Über die SBK:
Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse ist die größte Betriebskrankenkasse Deutschlands und gehört zu den 20 größten gesetzlichen Krankenkassen. Als geöffnete, bundesweit tätige Krankenkasse versichert sie mehr als eine Million Menschen und betreut über 100.000 Firmenkunden in Deutschland – mit rund 1.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 80 SBK Geschäftsstellen.
Seit über 100 Jahren setzt sich die SBK persönlich und engagiert für die Interessen der Versicherten ein. Sie positioniert sich als Vorreiterin für einen echten Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Voraussetzung dafür ist aus Sicht der SBK mehr Transparenz für die Versicherten – über relevante Finanzkennzahlen, aber auch über Leistungsbereitschaft, Beratung und Dienstleistungsqualität von Krankenkassen. Im Sinne der Versicherten vereint die SBK darüber hinaus das Beste aus persönlicher und digitaler Welt und treibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen aktiv voran.