Rund ein Drittel aller Langzeitüberlebenden von Brust-, Prostata- oder Darmkrebs leidet auch 5 bis 16 Jahre nach der Diagnose unter ausgeprägter Fatigue, wie eine neue Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigt. Die Betroffenen berichten von körperlicher, kognitiver und affektiver Erschöpfung, die weit über das normale Maß hinausgeht. Die Fatigue ist nicht nur eine erhebliche Belastung im Alltag – sie geht auch mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine vorzeitige Sterblichkeit einher.
Fatigue – ein anhaltendes Gefühl körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung – gehört zu den häufigsten Spätfolgen einer Krebserkrankung. Während sie während der aktiven Therapie bei bis zu 85 Prozent der Patientinnen und Patienten auftritt, wurde bislang angenommen, dass sich die Beschwerden mit Abschluss der Behandlung allmählich zurückbilden. Die aktuellen Studienergebnisse belegen jedoch: Bei vielen Überlebenden bleibt die Fatigue auch nach Abschluss der Therapie über Jahre bestehen oder tritt erneut auf.
In der bevölkerungsbasierten CAESAR-Studie wurden über 6.000 Langzeitüberlebende von Brust-, Prostata- und kolorektalem Krebs befragt und mit einer Kontrollgruppe aus der Allgemeinbevölkerung verglichen. Das Forschungsteam untersuchte dabei die Häufigkeit, Risikofaktoren und prognostische Bedeutung von Fatigue. Rund 34 bis 39 Prozent der Betroffenen berichteten über anhaltende Erschöpfungssymptome.
Vielschichtige Ursachen – differenzierte Symptome
„Fatigue ist kein einheitliches Symptom“, betont Melissa Thong, Erstautorin der Studie. „Wir konnten zeigen, dass körperliche, kognitive und affektive Fatigue unterschiedliche Risikofaktoren haben und auch verschieden stark mit der Sterblichkeit zusammenhängen.“
Besonders häufig betroffen waren jüngere Überlebende, Personen mit niedriger Bildung, depressive Patientinnen und Patienten sowie solche mit mehreren Begleiterkrankungen. Auffällig war zudem: Auch Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht und Rauchen trugen wesentlich zur Fatigue bei. Eine ausgeprägte Fatigue – insbesondere körperlicher Art – war mit einem bis zu 2,4-fach erhöhten Sterberisiko verbunden. Die Autoren erläutern, dass körperliche Fatigue möglicherweise das Gefühl der Person abbildet, welche Aktivitäten in ihrem gegenwärtigen Zustand noch möglich sind und welche nicht – unabhängig von Alter und Begleiterkrankungen.
Neue Impulse für die Nachsorge
Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines systematischen Fatigue-Screenings im Rahmen der onkologischen Nachsorge – auch viele Jahre nach Abschluss der Behandlung. „Langzeitüberlebende brauchen langfristige Betreuungskonzepte, die psychosoziale, körperliche und medizinische Aspekte integrieren“, erklärt Volker Arndt vom DKFZ, Seniorautor der Studie. „Eine wirksame Fatigue-Therapie könnte nicht nur die Lebensqualität deutlich verbessern – sondern möglicherweise auch die Überlebenschancen erhöhen.“
Melissa S. Y. Thong, Daniela Doege, Lena Koch-Gallenkamp, Heike Bertram, Andrea Eberle, Bernd Holleczek, Alice Nennecke, Annika Waldmann, Sylke Ruth Zeissig, Ron Pritzkuleit, Elmar Brähler, Hermann Brenner and Volker Arndt: Fatigue in long-term cancer survivors: prevalence, associated factors, and mortality. A prospective population-based study. British Journal of Cancer 2025, DOI https://doi.org/10.1038/s41416-025-03116-z
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.