Berlin – Die Herstellervereinigung eurocom e.V. und das bundesweite Leistungserbringerbündnis Wir versorgen Deutschland (WvD) haben bei einem gemeinsamen Parlamentarischen Abend am 11. September 2025 in Berlin die zentrale Rolle der Hilfsmittelversorgung für ein leistungsfähiges Gesundheitswesen hervorgehoben. Beide Spitzenorganisationen fordern gezielte Reformen, um Bürokratie abzubauen, Innovationen zu stärken und die Versorgung zu sichern.
„Hilfsmittel leisten einen unverzichtbaren Beitrag, damit die Versorgung in einer älter werdenden Gesellschaft bezahlbar und verlässlich bleibt. Deshalb ist es wichtig, die Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass diese Leistungen auch künftig bedarfsgerecht und flächendeckend erbracht werden können“, erklärte Tino Sorge, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit in seinem Grußwort.
Walter Michael Leuthe, stellvertretender Vorsitzender eurocom, und Alf Reuter, Vorstand WvD, machten in ihrer Begrüßung deutlich: „Ohne Investitionen in die Versorgung mit Hilfsmitteln sind weder eine erfolgreiche Krankenhausreform noch eine Stärkung der ambulanten Versorgung möglich. Doch die Branche droht in Bürokratie zu ersticken – es braucht jetzt entschlossenes politisches Handeln, um Leistungserbringer und Industrie zu entlasten.“

In der anschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich beide Verbände mit den Berichterstattern der Bundestagsfraktionen zu ihren Lösungsvorschlägen aus. Dazu gehörten die Mitglieder des Bundestages Dr. Tanja Machalet (SPD) – gleichzeitig Vorsitzende des Gesundheitsausschusses –, Axel Müller (CDU) und Dr. Paula Piechotta (Bündnis‘90/Die Grünen). „Die Hilfsmittelversorgung hat in Deutschland einen viel zu wenig beachteten Stellenwert“, erklärte Dr. Tanja Machalet im Rahmen der Diskussion. „Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für Leistungserbringer und Industrie, die täglich dafür sorgen, dass Pflege vermieden, Operationen hinausgezögert sowie Mobilität und Lebensqualität gesichert werden können.“ Für Dr. Paula Piechotta ist es hingegen Fluch und Segen der Branche, dass andere Leistungserbringer im Berliner Politikbetrieb sehr viel lauter auftreten. Sie schlug vor, dass sich alle Akteure gemeinsam an einen Tisch setzen und die derzeitige Bürokratie durchforsten, um sie zu entschlacken. Statt auf Kontrolle und noch mehr Kontrolle zu setzen, plädierte Axel Müller für mehr Vertrauen in die Leistungserbringer von Seiten der Kostenträger. Einig waren sich alle drei, dass die Hilfsmittelversorgung in Deutschland dringend politischer Reformen bedarf.

Gemeinsam fordern eurocom und WvD:
- Entbürokratisierung: Standardisierung der formellen Vertragsinhalte durch einen administrativen Rahmenvertrag im Hilfsmittelbereich, damit Verhandlungen sich künftig auf Preise und Leistungen konzentrieren können.
- Schnellere Aufnahme innovativer Produkte: Innovative Hilfsmittel müssen rascher ins Hilfsmittelverzeichnis und damit in die Patientenversorgung gelangen.
- Finanzierung: Einheitlich niedriger Mehrwertsteuersatz auf Hilfsmittel, um Kassen und Patienten zu entlasten, sowie eine regelmäßige, einfache Anpassung der teils stark veralteten Festbeträge für Hilfsmittel. Konservative Therapien mit Hilfsmitteln stärken, um Arzneimittelkosten und Klinikaufenthalte zu senken.
- Digitalisierung: Zügige Einführung der E-Verordnung und schnelle Integration von Sanitätshäusern und Gesundheitshandwerken in die elektronische Patientenakte.
- Verbesserte Regulierung: Zügige Überarbeitung und Entbürokratisierung der europäischen Medical Device Regulation (MDR).
„Die Hilfsmittelversorgung leistet einen entscheidenden Beitrag dazu, dass Menschen in Deutschland selbstbestimmt und mobil leben können. Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit dies auch in Zukunft überall in Deutschland möglich bleibt“, so Leuthe und Reuter abschließend.
Hintergrund
Damit die Hilfsmittelversorgung ihre zentrale Rolle auch künftig erfüllen kann, müssen die wachsenden Belastungen ernst genommen werden: Wachsende Bürokratie aber auch der Fachkräftemangel bremsen die Betriebe zunehmend aus.
- Laut WvD-Branchenumfrage 2025 investieren 73 Prozent der Sanitätshäuser mehr als 30 Prozent ihrer Arbeitszeit in Bürokratie, zugleich spüren 48 Prozent der Sanitätshäuser den Fachkräftemangel deutlich.
- In der eurocom-Mitgliederbefragung 2025 identifizieren 100 Prozent der Hilfsmittelhersteller bürokratische Hürden als Standortrisiko Nummer 1 – und damit als enorme Belastung für die KMU in Deutschland. Sie fordern den Abbau regulatorischer Hürden – insbesondere bei der Aufnahme von Innovationen ins Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes. 75 Prozent der Befragten bewerten das unsichere und langwierige Verfahren als größtes Innovationshemmnis einer Branche, die auf Innovationsstärke setzt: 96 Prozent der Hersteller investieren in Forschung und Entwicklung.
- Die repräsentative Patientenumfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (Quelle: eurocom 2023) belegt zudem den volkswirtschaftlichen Nutzen: Hilfsmittel wie Bandagen und Orthesen vermeiden Operationen und beschleunigen die Rückkehr ins Arbeitsleben. Ein Beispiel: Eine Einlagenversorgung kostet rund 114 Euro pro Halbjahr, während eine Amputation Folgekosten von bis zu 14.000 Euro verursacht (Quelle: WvD 2023).
Hilfsmittel leisten somit nicht nur für Patientinnen und Patienten, sondern auch für die Entlastung der Sozialversicherung einen zentralen Beitrag.
Ausführliche Reformvorschläge für die Hilfsmittelversorgung finden Sie auf den Seiten von WvD und eurocom.
eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie, orthopädische Hilfsmittel und digitale Gesundheitsanwendungen. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören die maßgeblichen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an, die im deutschen und europäischen Markt tätig sind.
Wir versorgen Deutschland (WvD) setzt sich für Ihre qualitätsgesicherte, wohnortnahe und individuelle Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln in Deutschland ein. Die Mitglieder von „Wir versorgen Deutschland“ zählen dabei zu den maßgeblichen Spitzenverbänden und Zusammenschlüssen von Hilfsmittelleistungserbringern. Gemeinsam vertreten sie das Anliegen einer hochwertigen Hilfsmittelversorgung gegenüber der Politik.