Das Bündnis Kinder und Jugendgesundheit fordert frühzeitige Aufklärung, gezielte Präventionsmaßnahmen und Ausbau von Schwimmangeboten
Ertrinkungsunfälle zählen zu den häufigsten unfallbedingten Todesursachen bei Kindern in Deutschland. Besonders gefährdet sind Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren – eine Altersgruppe, in der die Fähigkeit zur Gefahreneinschätzung noch nicht ausreichend entwickelt ist. Ertrinken geschieht meist schnell und lautlos – oft reichen wenige Zentimeter Wasser aus.
Alarmierende Zahlen und soziale Ungleichheit
Im Jahr 2023 ertranken bundesweit 37 Kinder unter 15 Jahren, davon 17 im Vorschulalter. Besonders häufig ereignen sich Unfälle an unbewachten Binnengewässern, in privaten Pools oder ungesicherten Gartenteichen. Auch Badewannen stellen ein Risiko dar – insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder.
Ein zentrales Problem ist die mangelnde Schwimmfähigkeit vieler Kinder. Bereits vor der Pandemie konnte laut KiGGS-Studie nur etwa jedes dritte Kind im Vorschulalter schwimmen. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend weiter verschärft. Besonders betroffen sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien: In der Städteregion Aachen konnten 2023 nur 5 % der Schulanfänger:innen aus Haushalten mit niedrigem Bildungsstatus schwimmen – im Vergleich zu 32,2 % bei Kindern aus bildungsnahen Familien.
Regionale Initiativen zeigen Wirkung
Ein positives Beispiel liefert die Region Hannover: Dort wurde 2022 die „Schwimmoffensive“ gestartet. Über 10.000 Kinder haben seither in über 900 Kursen schwimmen gelernt. Gleichzeitig wurden 400 neue Schwimmtrainer:innen ausgebildet und Kooperationen zwischen Schulen, Vereinen und Verwaltung aufgebaut. Erste Erfolge zeigen sich bereits: Der Anteil schwimmfähiger Kinder steigt wieder.
Empfehlungen zur Prävention – altersgerecht und praxisnah
- Säuglinge (0–1 Jahr): Niemals unbeaufsichtigt baden lassen. Babybadewannen kippsicher aufstellen.
- Kleinkinder (1–5 Jahre): Ständige Aufsicht, Wasserquellen sichern, frühzeitige Wassergewöhnung.
- Schulkinder (6–12 Jahre): Teilnahme an qualifizierten Schwimmkursen, Aufklärung über Gefahren.
- Jugendliche (ab 12 Jahren): Förderung realistischer Selbsteinschätzung, Motivation zur Rettungsschwimmausbildung.
Forderung nach gesetzlicher Regelung
Um Kinder besser zu schützen, braucht es klare gesetzliche Vorgaben. Ein „Pool-Gesetz“ nach französischem Vorbild – mit verpflichtenden Sicherheitsmaßnahmen wie Zäunen, Abdeckungen oder Alarmanlagen – ist überfällig. Die derzeitige Verkehrssicherungspflicht (§ 823 BGB) reicht nicht aus, um insbesondere kleine Kinder wirksam zu schützen.
Fazit: Ertrinkungsunfälle sind vermeidbar!
Entscheidend sind frühzeitige Aufklärung, gezielte Präventionsmaßnahmen und der Ausbau von Schwimmangeboten – insbesondere für sozial benachteiligte Familien. Kinder- und Jugendärzt:innen spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie erreichen Familien frühzeitig und können konkrete Empfehlungen zur Unfallverhütung geben. Wichtige Tipps zur Ertrinkungsprävention für Eltern und Aufsichtspersonen liefert die Broschüre „Kinder im und am Wasser – Aber sicher!“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V., die zum kostenfreien Download bereitsteht.
Das Bündnis Kinder- und Jugendgesundheit (Bündnis KJG) ist ein Zusammenschluss führender kinder- und jugendmedizinischer Fachgesellschaften, Berufsverbände, Kinderkrankenpflegeorganisationen und Eltern-vertretungen in Deutschland. Ziel des Bündnisses ist es, sich gemeinsam für bessere gesundheitliche Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche einzusetzen – politisch, gesellschaftlich und fachlich.