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Lebens- und Sterbensqualität

Palliativversorgung

Frankfurt – Ambulante Palliativversorgung ist mehr als Medikamente und gute Worte in der letzten Lebensphase. Palliativversorgung ist die umfassende Betreuung von Patienten und deren Angehörigen im letzten Lebensabschnitt. Dabei gilt es, nicht nur lindernde Therapien ein-, sondern auch nicht mehr erforderliche Medikamente abzusetzen, betonen Experten auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt.

In Deutschland benötigen schätzungsweise 80000 bis 100000 Menschen pro Jahr eine intensive palliativmedizinische Betreuung in ihrer letzten Lebensphase. Es handelt sich dabei nicht nur um Krebspatienten, sondern auch um Patienten mit schweren Erkrankungen der inneren Organe wie Herz, Nieren und Leber sowie neurologischen Leiden.

„Wenn es darum geht, den Wunsch dieser Patienten zu erfüllen, zu Hause in Würde sterben zu können, ist dies eine äußerst komplexe Herausforderung, bei der es indes nicht nur um medizinische und pflegerische Aspekte geht“, erklärt Dr. Thomas Nolte, Leiter des Schmerz- und Palliativzentrums Wiesbaden auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag in Frankfurt.

Hinzu kommt eine große organisatorische Leistung. Diese reicht von der Sicherung und Stabilisierung der häuslichen Situation, über Schnittstellenarbeit in der Versorgungskette, bis hin zur Klärung von Leistungen verschiedener Kostenträger und Informationen über Beratungsstellen und soziale Fragen. Insbesondere muss ein ganzes Team – Hausarzt, speziell geschulte Palliative Care Pflegekräfte und Palliativmediziner – koordiniert und eingebunden werden, die ständige Ruf – und Einsatzbereitschaft von Experten muss sichergestellt sein.

Aufgabe der Ärzte ist die Schmerztherapie, die systematische Behandlung quälender Symptome sowie die Beratung und Unterstützung der Patienten und Angehörigen, wenn es um Entscheidungen geht.

„Ebenso gehört dazu das Umsteuern der Therapie“, erklärt Dr. Matthias Thöns vom Palliativnetz in Bochum. In einer Untersuchung hat Thöns festgestellt, dass die Patienten, die vom Palliativnetz Bochum betreut werden, zu Beginn der Behandlung im Schnitt sieben Medikamente einnehmen. „Allerdings dienten nur drei davon der Symptomkontrolle.“ Schmerzmittel werden oft nur nach Bedarf gegeben, nicht nach der Uhr, wie es erforderlich wäre.

Stattdessen erhalten die Patienten Arzneimittel, die in der Lebensendphase nicht mehr indiziert sind, etwa blutdrucksenkende Mittel, Blutfettsenker oder Entwässerungstabletten. „Wenn Patienten so viele Medikamente einnehmen, drohen Wechselwirkungen, die neue Probleme verursachen“, sagt Thöns. Und häufig verweigern die Betroffenen dann die notwendigen Schmerzmittel, weil sie so viele Tabletten nicht schlucken wollen. Darum setzen Palliativmediziner nicht mehr erforderliche Medikamente ab und setzen Arzneien ein, die Schmerzen und andere quälende Symptome lindern.

Für diese komplexen Leistungen bieten einige Krankenkassen bei den Verhandlungen den Palliative Care Teams in manchen Regionen Deutschlands eine Pauschale von 200 Euro. „Auf der anderen Seite werden teuere technische Therapien einfach durch gewunken, von denen die Patienten nichts haben und die Ihnen mitunter sogar zusätzliche Qualen bereiten“, kritisieren die Palliativmediziner.

„Für die künstliche Ernährung, die der Körper in der Lebensendphase gar nicht mehr verdauen kann, stehen tausende von Euro bereit, aber um Schmerzmittel wird gestritten“, sagt Matthias Thöns. In Alten- und Pflegeheimen würde der Body Mass Index der Bewohner gemessen, auch wenn diese nur noch wenige Wochen zu leben haben, nicht aber der Schmerz. „In den Richtlinien der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung steht jedoch ausdrücklich, dass das Lindern von Hunger, Durst und Atemnot zu den ärztlichen Pflichten gehört, nicht aber die künstliche Gabe von Nahrung und Flüssigkeit am Lebensende“, sagt Thomas Sitte.

„Eigentlich würde ich erwarten, dass wir Spezialisten nicht erst dann hinzugezogen werden, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt“, sagt Thöns. „Ich wünsche mir, dass lindernde Maßnahmen frühzeitig eingesetzt werden.“ Doch dies ist nur selten der Fall. Hier rächt sich die fehlende Ausbildung der Mediziner auf diesem Gebiet während des Studiums und in der Facharztausbildung.

„Dies führt dazu, dass verzweifelte Patienten den Tod herbeisehnen, und nach Sterbehilfe fragen“, weiß Thomas Sitte, Gründer des Palliativnetzes Osthessen. Sitte erhält, wie viele seiner Kollegen, immer wieder Anrufe von Patienten aus anderen Regionen der Republik, die nicht mehr weiter wissen und bei der Sterbehilfe-Organisation Dignitas bereits angemeldet sind. „In solchen Fällen kann man Hilfen vermitteln“, erklärt Sitte. „Mit der Sicherheit von Palliative Care Teams kann man zu Hause in Würde sterben.“ Allerdings erkennt eine steigende Zahl von Ärzten ihre Wissenslücken: Die Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Palliativmedizin sind gut besucht.