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Neuer Linearbeschleuniger zur Strahlentherapie in Betrieb genommen

Hohe Präzision ermöglicht besonders schonende Behandlung

Mainz – Die Strahlentherapie hat bei vielen Tumorerkrankungen eine entscheidende Bedeutung für die Heilung und nimmt somit einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung von bösartigen Erkrankungen ein. So erhalten etwa 60 Prozent aller Krebspatienten im Verlauf ihrer Therapie eine Bestrahlung. An der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie wurde in den letzten Monaten ein neuer hochleistungsfähiger Linearbeschleuniger in Betrieb genommen, der alle derzeit verfügbaren technischen Möglichkeiten der konventionellen Strahlentherapie bietet. Es ist das modernste und leistungsfähigste Gerät in der Region mit einer hohen Grenzenergie von 18 Millionen Elektronenvolt. Diese Energie ist besonders geeignet um Tumore, die im Bauchraum oder Becken liegen, schonend und effektiv zu behandeln.

Ziel der Strahlentherapie ist die Zerstörung von Krebszellen durch gezielten Beschuss mit Röntgenstrahlen bzw. Elektronen. Dabei nutzt die Strahlentherapie die Tatsache aus, dass Tumorgewebe strahlenempfindlicher ist als gesundes Gewebe. Durch die Bestrahlung werden die Krebszellen geschädigt, sterben ab und werden vom Körper abgestoßen. Gesunde Zellen, die nur einer geringen Strahlendosis ausgesetzt werden, können sich selbst reparieren und überleben.

Wissenschaftsministerin Doris Ahnen unterstrich: „Krebsforschung und Krebstherapie zählen zu den Feldern, in denen die Universitätsmedizin Mainz ein ganz besonders ausgeprägtes Profil besitzt.“ Das habe sich gerade im vergangenen Jahr gleich mehrfach gezeigt. Erst im November habe bei der Vorauswahl für vier ,Deutsche Zentren der Gesundheitsforschung’ ein Forschungsverbund, an dem die Universitätsmedizin beteiligt ist und der sich mit neuartigen molekularen Diagnosen und Behandlungen bei Krebserkrankungen beschäftigen will, den Sprung in die engere Auswahl geschafft. Ebenfalls innerhalb des letzten Jahres sei zudem aus der Universitätsmedizin heraus die TRON – Translationale Onkologie GmbH an den Start gegangen. Und ein weiterer Beleg für die hohe Bedeutung der Onkologie sei das Forschungscluster für individualisierte Immunintervention (CI 3), in dem Forscherinnen und Forscher der Universitätsmedizin gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen benachbarter Universitäten, mit führenden Pharmaunternehmen und innovativen Biotechnologie-Start-up-Unternehmen aus der Region neue Wege in der Krebstherapie entwickeln. „Der neue Linearbeschleuniger ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Schwerpunktsetzung in der medizinischen Forschung auch der Versorgung von Patientinnen und Patienten zugute kommt“, betonte Doris Ahnen.

„Der Einbau dieses Linearbeschleunigers ist der wichtigste Baustein in der konsequenten Weiterentwicklung der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie“, so Univ.-Prof. Dr. Guido Adler, Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Mainz. „Nachdem durch die Etablierung eines modernen PET-CT-Gerätes die Früherkennung und Lokalisation von Tumoren verbessert werden konnte, wird nun durch den neuen leistungsfähigen Linearbeschleuniger und moderne Therapieplanungssysteme die gesamte Behandlungskette der Strahlentherapie an der Universitätsmedizin Mainz auf den neuesten heute verfügbaren Stand gebracht.“

Diese Behandlungskette beginnt mit dem Einsatz der modernsten bildgebenden Verfahren – wie Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und PET-CT, einer Kombination aus nuklearmedizinischer Technik und Computer-Tomographie – um einen Tumor zu lokalisieren. Das zweite Glied in der Kette sind zwei moderne Therapieplanungssysteme, mit denen die Therapie dreidimensional vorgeplant wird. Dabei wird die Strahlung so berechnet, dass ein Tumor mit einer hohen Strahlen-Dosis zerstört und gleichzeitig die umliegenden Normalgewebe optimal geschont werden. Das dritte und komplizierteste Glied der Kette ist der Linearbeschleuniger, der nicht nur die Befehle des Planungssystems exakt ausführt, sondern durch eine integrierte Bildgebung die Präzision des Vorgangs überprüfen kann.

„Die Herausforderung für den Radioonkologen besteht bei jedem Patienten in der Frage, wie eine ausreichende Dosis Röntgenstrahlen appliziert werden kann, mit der die Krebszellen zerstört werden, ohne gleichzeitig die umgebenden gesunden Zellen in Mitleidenschaft zu ziehen“, erläuterte Univ.-Prof. Dr. Heinz Schmidberger, Direktor der Klinik und Poliklinik für Radioonkologie und Strahlentherapie. „Die Suche nach einfachen und effektiven Lösungen für dieses Problem stand in den letzten Jahrzehnten im Zentrum der meisten technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Strahlentherapie. Der neue Linearbeschleuniger vereint die Geräteentwicklung von mehr als 60 Jahren und bietet alle derzeit verfügbaren technischen Möglichkeiten der konventionellen Strahlentherapie.“

So erreicht der neue Linearbeschleuniger eine hohe Grenzenergie von 18 Millionen Elektronenvolt. „Klinische Studien zeigen, dass diese Grenzenergie für die klinische Anwendung optimal ist und jede weitere Energieerhöhung den Aufwand steigert, ohne einen weiteren Nutzen für die Patienten zu bringen“, so Prof. Schmidberger. „Damit eignet sich das neue Gerät hervorragend, um tiefliegende Tumoren im Körperstamm – also in der Bauch- und Beckenregion – zu behandeln. Für Tumoren, die an der Oberfläche liegen – wie Kopf-Hals-Tumore und Brusttumore – kann die Energie auf 6 Millionen Elektronenvolt heruntergestellt werden. Für die Behandlung von Tumoren der Haut schließlich kann das Gerät so genannte schnelle Elektronen produzieren, die bei gleicher biologischer Wirkung eine geringere Eindringtiefe als Röntgenstrahlung haben und somit das Gewebe unter der Haut schonen.“

Darüber hinaus bietet das neue Gerät eine verbesserte Bildgebung während der eigentlichen Bestrahlung: So können durch einen integrierten Computertomographen erstmals während der Bestrahlung CT-Aufnahmen des Patienten gemacht werden, um dessen Lage und Position im Verhältnis zum Bestrahlungsfeld zu prüfen – im Fachjargon heißt dies „Image Guided Radiotherapy“. Da der neue Beschleuniger durch verschiedene technische Verfahren eine besonders hohe Präzision der Bestrahlung ermöglicht, erfordert dies parallel eine zuverlässige Kontrolle der Position des Tumors und der Bestrahlungsfelder. Zu diesen technischen Verfahren zählt etwa die Intensitätsmodulierte Radiotherapie, die es erlaubt, jede anatomische Form mit einer Strahlendosisverteilung gleichsam nachzuzeichnen. Dieses Verfahren wurde in Mainz bereits vor einigen Jahren etabliert, mit dem neuen Beschleuniger kann es jedoch sehr viel schneller als bisher durchgeführt werden. Schließlich besitzt der neue Beschleuniger die Möglichkeit des so genannten „Atem-Gating“: Dies bedeutet, dass eine Bestrahlung immer nur zu bestimmten Zeiten während des Atemrhythmus des Patienten stattfindet. Dies ist insbesondere bei Bestrahlungen im Bereich der Lunge wichtig, damit nicht durch die Atmung des Patienten und die damit einhergehende Bewegung der Organe gesundes Gewebe in das Bestrahlungsfeld gelangt und unnötig stark bestrahlt wird.

„Für die Behandlung und Therapie von Tumoren ist die Strahlentherapie damit heute essentiell. Doch in den Fällen, wo eine Heilung nicht mehr möglich ist, können wir durch eine Bestrahlung lokal Schmerzen lindern. Eine solche palliative Behandlung hat zum Ziel, Patienten mit weit fortgeschrittenen oder nicht mehr heilbaren Erkrankungen eine best mögliche Lebensqualität zu erhalten”, sagte Prof. Schmidberger und ergänzte: „Trotz der ausgereiften Technik bleibt der Mensch das Maß der Dinge. Im Mittelpunkt aller Bemühungen steht der individuelle Patient mit seinen Beschwerden und Bedürfnissen.”

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige Einrichtung dieser Art in Rheinland-Pfalz. Mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen sowie zwei Einrichtungen der medizinischen Zentralversorgung – die Apotheke und die Transfusionszentrale – gehören zur Universitätsmedizin Mainz. Mit der Krankenversorgung untrennbar verbunden sind Forschung und Lehre. Rund 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz kontinuierlich ausgebildet. Weitere Informationen im Internet unter http://www.unimedizin-mainz.de