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Pressestatement zum 28. Heidelberger Kongress „Abstinenz als modernes Therapieziel !?“ 17. – 19. Juni 2015

Information für die Medien

Bonn – „Abstinenz“, „Konsumreduktion“, „Schadensminimierung/Safer use“, „Verhaltensregulierung“, „Substitution“ – es gibt vielfältige und unterschiedliche Zielsetzungen, welche in der aktuellen Diskussion um die Behandlung substanzbezogener und stoffungebundener/sucht­naher Verhaltensweisen eine Rolle spielen. Doch welche Zielsetzungen sollen im Einzelfall vom Behandler in seinem jeweiligen Setting dem/der Patienten/in empfohlen werden? Expertenkonsens ist beispielsweise, dass bei Personen mit einer Alkoholabhängigkeit das Anstreben völliger Abstinenz das angemessenste Ziel in Bezug auf Alkoholkonsum ist (NICE clinical guideline 115 „Alcohol-use disorders“, 2011). Menschen mit riskantem bzw. schädlichem Trinkverhalten oder einer moderaten Substanzgebrauchsstörung können möglicherweise das Ziel eines risikoarmen Alko­holkonsums leichter erreichen.

Natürlich sind auch individuelle Behandlungsbedarfe wie etwa psychiatrische oder somatische Komorbiditäten oder auch situations- und verhaltensbezogene Risikokonstellationen (z.B. Schwangerschaft, Alter, Einnahme zusätzlicher Medika­mente, Teilnahme am Straßenverkehr oder am Arbeitsleben) zu beachten. Zudem stellt sich für die Behandler die Frage, in welchem Setting welche Therapieziele realistischerweise kurz-, mittel- oder langfristig erreicht werden können, inwieweit deren Einhaltung auch überprüft werden kann und ob – bezogen auf den Einzelfall – durchaus auch weiterführende Behandlungsmöglichkeiten genutzt werden sollten, um übergeordnete Zielsetzungen zu erreichen. Eine differenzierte Diskussion um die jeweils geeignetsten Therapieziele ist auch bei Mischkonsumenten/innen unterschiedlicher Substanzen oder chronifizierten, polyvalent abhängigen Menschen sowie im Bereich des Pathologischen Glücksspiels und Pathologi­schen PC-/Internetgebrauchs zu führen.

So ist beispielsweise anders als bei stoffgebundenen Suchtformen bei der Behandlung des Pathologischen Glücksspiels nicht Spielen jeglicher Art (z. B. Schach spielen), sondern vorrangig das „Nicht-Spielen um Geld“ Abstinenzziel. Beim Patho­logischen PC-/Internetgebrauch geht es nicht um ein Verbot jeglicher berufsbezogener Internetnutzung, sondern um das Einstellen von krankheitsbezogenem exzessivem Gamen (z. B. World of Warcraft), Chatten oder Surfen.

In der 2015 publizierten S3-Leitlinie zu alkoholbedingten Störungen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) für Deutschland wird ausgeführt, dass postakute Interventionsformen Patienten/innen im Anschluss an die Entzugsphase als nahtlose weiterführende Behandlung angeboten werden sollen (s. www.awmf.org – „Alkoholbezogene Störungen: Screening, Diagnose und Behandlung“). Dabei stellt die Abstinenz bei abhängigem Konsum die übergeordnete Zielsetzung dar.

In diesem Zusammenhang ist allerdings eine erneute Debatte über Konsumreduktion als gleichwertige, dem Patienten zur Wahl zu stellende Alternative bei Alkoholabhängigkeit zur gegenwärtigen abstinenzorientierten Behandlung nicht zielfüh­rend. Haben doch die an der gerade verabschiedeten S3-Leitlinie beteiligten Fachgesellschaften die Evidenzlage zur Behandlung von Alkoholproblemen – einschließlich von Studien zu Nalmefen – systematisch gesichtet, bewertet und im Verlauf eines standardisierten Konsensfindungsprozesses unter strikter Beachtung von Interessenskonflikten Abstinenz als übergeordnetes Behandlungsziel in der Behandlung von Suchtkranken bestätigt. Lediglich für eine genau definierte Patien­tenuntergruppe („wenn Abstinenz noch nicht möglich ist und keine Entzugsbehandlung indiziert ist“) wurde Konsum­reduktion als Behandlungsziel bei Alkoholabhängigen empfohlen.

Da es sich bei Menschen mit Alkoholproblemen um eine sehr heterogene Population handelt, sind somit differentielle Aspekte in der Indikationsstellung zu beachten. Eine vorgeschlagene schrittweise Intervention bei Alkoholabhängigen – von medikamentös gestützter Konsumreduktion bis zum maximalen „Eingriff“ einer stationären abstinenzorientierten Entwöhnungsbehandlung – im Sinne eines Versuch-und-Irrtum-Vorgehens – ist beim derzeit bereits vorhandenen Kennt­nisstand zur differentiellen Wirksamkeit der verschiedenen Behandlungsoptionen eher als Rückschritt zu werten. Neben dem Respekt vor der Entscheidung des/r Patienten/in auch gegen ein als sinnvoll erachtetes Therapieziel gehört es unseres Erachtens zur ethisch begründeten Verantwortung des Behandlers, sichere Wege der Zielerreichung und Optimierung von Gesundheit und Lebensqualität zu empfehlen und den/die Patienten/in entsprechend aktiv und gezielt zu beraten.

Aufgrund der hohen Relevanz riskanten, schädigenden und abhängigen Alkoholkonsums für die individuelle und die Volks­gesundheit ist ein frühzeitiger Eingriff in inadäquate Konsumgewohnheiten und die Entwicklung einer Alkoholabhängig­keit angeraten. Dies erfordert in erster Linie verstärkte verhältnisorientierte Präventionsanstrengungen (z.B. in Form von Preiserhöhung und Zugangsbeschränkung), in zweiter Linie aber u.a. auch die Verbesserung der früherkennen­den diagnostischen Methoden und die entsprechende Beachtung eventueller alkoholbedingter Beeinträchtigungen in der medizinischen und psychotherapeutischen Primärversorgung.

Gleichzeitig wird in der S3-Leitlinie auf die positive Evidenzlage zur Wirksamkeit von zieloffener Früh-bzw. Kurzinterven­tion insbesondere bei riskantem und schädlichem Alkoholkonsum hingewiesen und in diesen Fällen eine Konsumreduktion im Sinne von Schadensbegrenzung/“harmreduction“ empfohlen. Hierzu kann dann im Einzelfall auch eine adjuvante medi­kamentöse Unterstützung gehören.

Da hierzulande besonders effiziente und gut vernetzte Suchtbehandlungsangebote existieren, ist eine Verbesserung der Versorgung von Alkoholabhängigen vor allem über eine Optimierung der Zugangswege anzustreben. In diesem Zusam­menhang begrüßen wir, dass durch die Änderung der Psychotherapie-Richtlinien seit 2011 ein zusätzliches Behandlungs­angebot für Alkoholabhängige eröffnet wurde, wobei hier bis zur zehnten Behandlungssitzung eben auch die Erreichung nachgewiesener Abstinenz gefordert wird. Eine Ergänzung der Antragsbedingungen für Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation um einen ärztlich-psychotherapeuti­schen Befundbericht könnte den Zugang zu Entwöhnungsbehand­lungen für Alkoholabhängige noch weiter erleichtern.

Die Wirksamkeit von Entwöhnungsbehandlungen ist durch zahlreiche Studien belegt. So bleiben von den planmäßig entlassenen Antwortern in katamnestischen Studien poststationär über ein Jahr 77,4% (Bachmeier et al., 2015, Sucht­Aktuell) der behandelten Patienten abstinent oder abstinent nach Rückfall. In vielen Studien zur Wirksamkeit medizini­scher oder psychotherapeutischer Interventionen wird nur das Behandlungsergebnis im Vergleich von Behandlungsbeginn zu Behandlungsende evaluiert. Anders ist dies bei katamnestischen Studien, da hier die Wirksamkeit der Intervention über einen längeren Zeitraum, hier einen 1-Jahres-Zeitraum, auch nach Interventionsende nachverfolgt wird. Deshalb spricht man hier von der Nachhaltigkeit des Behandlungserfolges.

Es bleibt festzuhalten, dass

  1. Abstinenz bei abhängigem Konsum von Suchtmitteln das primäre Behandlungsziel ist.
  2. Die Wirksamkeit der Rehabilitation Abhängigkeitskranker nachhaltig belegt ist.
  3. Neue Zugangswege betroffenen Menschen einen frühzeitigeren, schnelleren und nahtlosen Zugang zur Rehabilitation ermöglichen sollen.

Das Kongressprogramm finden Sie hier:

www.sucht.de/fortbildung/events/id-28-heidelberger-kongress-des-fachverbandes-sucht-ev.html