Berlin – Schon länger ist bekannt, dass es bei männlichen Nierenlebendspendern nach der Nephrektomie zu schmerzhaften Hodenschwellungen kommen kann.[1][2]
Nun hat eine Gruppe von kanadischen Forschern des London Health Sciences Centre Research Institute (LHSRI) unter Leitung von Amit X. Garg mit Hilfe einer sogenannten bevölkerungsbasierten Kohortenstudie im Beobachtungszeitraum von 2002 bis 2024 unter Nutzung kanadischer Daten Bemerkenswertes herausgefunden.
Jeder achte männliche Nierenlebendspender, dessen Niere laparoskopisch entfernt wurde, muss sich innerhalb von 20 Jahren einer Operation am Hodensack unterziehen. Gegenüber der Vergleichsgruppe von männlichen Nichtspendern, bei der nur einer von 143 sich einer solchen Operation unterziehen muss, steigt das Risiko im genannten Zeitraum um knapp das 20-fache.[3]
Gründe sind eine Schwellung oder Flüssigkeitsansammlung im Hodensack (Hydrozele) auf der Entnahmeseite der Niere. Der ursächliche Mechanismus ist jedoch noch ungeklärt.
Beobachtet wurden 898 Spender und 8.980 Nichtspender. Dieses Verhältnis macht diese Studie besonders aussagekräftig.
Die Studie wurde am 11. November 2025 auf der Website Annals of Internal Medicine (https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/ANNALS-25-02257) veröffentlicht.
Aufklärung unbedingt erforderlich!
Die Autoren schreiben auf Seite 7: “Frühere und zukünftige männliche Spender sollten über das Risiko informiert und über Symptome aufgeklärt werden, auf die sie nach der Spende achten müssen.”
Die Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN e. V.) weist auf die unbedingte Aufklärungspflicht gemäß § 8 (2) TPG vor einer geplanten Nierenlebendspende hin. Das Unterlassen der Aufklärung über dieses und andere bekannte unmittelbare und langfristige Risiken ist bei vollendeter Nierenentnahme gemäß § 19 (1) TPG strafbewehrt und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Hinweis: Die aufklärenden Mediziner können sich bei Unterlassen der Aufklärung oder Teilen davon nicht auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (hypothetische Einwilligung) des Spenders berufen. (BGH, 29.01.2019 – VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17)
Hier geht es zur Studie und Kommentierung auf der Website der IGN e. V.
[1] 2021 – Pinar et. al. Persistent orchialgia after laparoscopic living‑donor nephrectomy: an underestimated complication requiring information adjustment
[2] 2012 – Jalali et al. Laparoscopic donor nephrectomy: an increasingly common cause for testicular pain and swelling
[3] 2025 – Garg et al. Risk for Scrotal Surgery After Laparoscopic Donor Nephrectomy
Die vom Gesetzgeber bewusst streng formulierten und in § 19 Abs. 1 Nr. 1 TPG gesondert strafbewehrten Aufklärungsvorgaben sollen den potentiellen Organspender davor schützen, sich selbst einen größeren persönlichen Schaden zuzufügen; sie dienen dem „Schutz des Spenders vor sich selbst”.
Bundesgerichtshof am 29. Januar 2019 (VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17)