Saarbrücken – Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat im Vorfeld der Entscheidung des Deutschen Bundestages zum Embryonenschutzgesetz eindringlich vor einer Veränderung der bestehenden Stichtagsregelung gewarnt.
Müller wörtlich: “Es droht die schrittweise Aushöhlung des Embryonenschutzes in Deutschland. Wer bereit ist, den Stichtag für menschliche embryonale Stammzellen, die nach Deutschland eingeführt und zu wissenschaftlichen Zwecken verbraucht werden dürfen, zu verschieben, steht für einen biopolitischen Kurswechsel, der zwingend dazu führen wird, dass die Ziele des Embryonenschutzgesetzes vollständig aufgegeben werden müssen.”
Zur Begründung seiner Auffassung verwies der saarländische Ministerpräsident darauf, dass es bei einer “einmaligen” Verschiebung des Stichtages für den Import menschlicher Stammzellen keine Begründung mehr gebe, warum in der Zukunft weitere Verschiebungen eines festgesetzten Stichtages unterbleiben sollten. Wenn aber regelmäßig durch die Verschiebung des Stichtages der Import von im Ausland erzeugten menschlichen embryonalen Stammzellen erlaubt werde, sei überhaupt nicht mehr einsehbar, warum die Erzeugung derartiger embryonaler Stammzellen in Deutschland unterbleiben müsse. Damit laufe aber die zentrale Forderung des Embryonenschutzgesetzes, dass eine Eizelle zu keinem anderen Zweck als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft künstlich befruchtet werden dürfe, leer. Das Embryonenschutzgesetz sei im Kern nicht mehr aufrecht zu erhalten. Jeder, der sich für eine einmalige Verschiebung des Stichtages entscheidet, müsse sich dieser Konsequenz bewusst sein.
Darüber hinaus, so der saarländische Ministerpräsident weiter, gebe es überhaupt keine sachliche Notwendigkeit zur Veränderung der bestehenden Stichtagsregelung. Die öffentlich vorgetragenen Begründungen seien falsch:
– Der Behauptung, seit 2002 seien die importfähigen embryonalen Stammzelllinien knapp geworden, stehe entgegen, dass im April 2002 nur eine einzige Zelllinie für den Versand verfügbar war, während im Frühjahr 2008 21 Zelllinien nach Deutschland eingeführt werden können.
– Die Behauptung, die vor dem Stichtag liegenden Stammzelllinien seien durch tierische Nährmedien verunreinigt und nur noch bedingt für Grundlagenforschung brauchbar stehe entgegen, dass alleine seit Januar 2008 5 Genehmigungen für Forschungsprojekte mit menschlichen embryonalen Stammzellen in Deutschland erteilt worden seien. Im Übrigen gebe es mittlerweile wissenschaftliche Verfahren, um diese Verunreinigungen restlos zu beseitigen.
– Schließlich seien, soweit es um Grundlagenforschung mit pluripotenten Zellen geht, embryonale Stammzellen nicht mehr ohne Alternative. Vielmehr sei es mittlerweile gelungen aus adulten Stammzellen Zellen herzustellen, die über die gleichen Eigenschaften wie embryonale Stammzellen verfügen.
Müller forderte vor diesem Hintergrund eine Konzentration der Forschung auf adulte Stammzellen, deren therapeutisches Potenzial demjenigen embryonaler Stammzellen erkennbar überlegen sei. Schließlich gebe es eine ganze Reihe erfolgreicher adulter Stammzelltherapien, die eingeführt worden seien, ohne dass es dazu embryonaler Stammzellforschung bedurft habe. Daher sei die Behauptung, embryonale Stammzellforschung sei notwenig, um das Potenzial adulter Stammzellen auszuschöpfen, nicht nachvollziehbar.
Aus Sicht des saarländischen Ministerpräsidenten ergibt sich daher eine klare Schlussfolgerung: “Mit der Vereinigung von Ei und Samenzelle entsteht menschliches Leben. Dieses hat Anspruch auf Schutz. Die Menschenwürde geht der Forschungsfreiheit vor. Daher darf menschliches Leben nicht – selbst wenn die zu Grunde liegenden Motive ehrenwert sind – zur Disposition gestellt werden. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Eine Verschiebung der Stichtagsregelung führt endgültig auf eine schiefe Ebene, an deren Ende die Aufhebung des Embryonenschutzes in Deutschland steht. Ich hoffe, dass alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sich dieser Konsequenz bewusst sind und eine Verschiebung der Stichtagsregelung nicht zustande kommt.”
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