Berlin – Die aus Vertreterinnen und Vertretern der Versicherten und Arbeitgeber der Ersatzkassen bestehende Mitgliederversammlung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) appelliert an die Politik, die in verschiedenen Gesetzentwürfen vorgesehenen Regelungen zur Schwächung der Sozialen Selbstverwaltung zurückzunehmen. Der Verbandsvorsitzende des vdek, Uwe Klemens, erklärte auf der vdek-Mitgliederversammlung: „Die Politik beteuert seit Jahren die Bedeutung der Selbstverwaltung, handelt aber genau entgegengesetzt. Auch die Absichtserklärungen in den beiden letzten Koalitionsverträgen sind hohle Worte, wenn man sich die Gesetzgebung der letzten Jahre anschaut.“ So wurden und werden weiterhin die Rechte und Handlungsspielräume der sozialen und gemeinsamen Selbstverwaltung Schritt für Schritt beschnitten und im Gegenzug die Aufsichtsrechte und Entscheidungsbefugnisse des Bundes ausgebaut. Der Verbandsvorsitzende nannte drei aktuelle Beispiele:
Erstes Beispiel: Faire-Kassenwahl-Gesetz, GKV-FKG
Hier ist vorgesehen, den Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV) künftig nicht mehr mit ehrenamtlichen Vertretern der Selbstverwaltung zu besetzen, sondern durch hauptamtliche Vorstandsmitglieder der Krankenkassen. Das bedeutet faktisch eine Abschaffung der Sozialen Selbstverwaltung auf Bundesebene.
Zudem geht damit ein Systemwechsel einher: Die Vertreter der Versicherten und Arbeitgeber tragen dazu bei, die notwendige ordnungspolitische, von Werten getragene und qualitätsorientierte Perspektive in der Gesundheitsversorgung zu sichern. Das soll künftig nicht mehr gelten. Diese Regelung muss zurückgenommen werden.
Zweites Beispiel: MDK-Reformgesetz
Hier ist geplant, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) von den Krankenkassen abzukoppeln. Kassenvertreter sollen in den Verwaltungsräten der MDKn zukünftig in der Minderheit sein, während VertreterInnen der Patienten und Leistungserbringer die Mehrheit in den Entscheidungsgremien bilden. Gleichwohl tragen die Krankenkassen nach wie vor die volle Finanzierungsverantwortung. Die Ersatzkassen fordern deshalb: Wenn es um finanzielle Entscheidungen geht, dürfen diese nicht gegen die Krankenkassen getroffen werden! Hinzu kommt: Entscheidungen über Richtlinien zu gutachterlichen Prüfungen können zukünftig durch Partikularinteressen der Leistungserbringer der Pflege und Ärzteschaft geprägt werden. Das schafft neue Abhängigkeiten und neue Interessenkonflikte zum Nachteil der Gesundheitsversorgung der Versicherten.
Drittes Beispiel: Implantateregister-Errichtungsgesetz
Im derzeit vorliegenden Gesetzentwurf ist vorgesehen, die Handlungsspielräume des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Bezug auf die Ausgestaltung des GKV-Leistungskatalogs im ambulanten Bereich einzuengen. Die geplante Verkürzung der Beratungszeiten im G-BA für neue Behandlungsverfahren bedeutet faktisch eine systematische Neuausrichtung der Bewertung von Innovationen. Das bisher evidenzbasierte Beratungsverfahren des G-BA droht unterlaufen zu werden. Anforderungen an Qualität und Sicherheit bei der Einführung neuer Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sollen abgesenkt werden – zu Lasten der Patientensicherheit. Das BMG soll zudem neue Eingriffs-, Kontroll- und Beanstandungsrechte erhalten, was darauf hinauslaufen würde, das BMG von einer Rechtsaufsicht zu einer Fachaufsicht weiterzuentwickeln. In das seit Jahrzehnten bewährte System der Beteiligung der Selbstverwaltungspartner an der Ausgestaltung des Leistungskatalogs würde damit massiv eingegriffen.
Im Rahmen der Fachanhörung am 24.6.2019 sind diese Gefahren von vielen Beteiligten ausgiebig thematisiert worden. Erfreulich ist, dass von Seiten der Union nun Klarstellungen vorgebracht wurden. Diese erkennen die Anwendung von Kriterien der evidenzbasierten Medizin an. Zudem soll klar getrennt werden zwischen Fach- und Rechtsaufsicht. Klemens: „Wir erwarten, dass der Bundesgesundheitsminister diese Klarstellungen nun im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgreift.“
Schwächung der Selbstverwaltung nicht hinnehmbar
„Aus Sicht der Ersatzkassen und aus der Sicht vieler unserer Partner in der gemeinsamen Selbstverwaltung ist dieser Weg der Schwächung der Selbstverwaltung, der von der Großen Koalition mit zunehmender Geschwindigkeit beschritten wird, nicht hinnehmbar. Die Selbstverwaltung stellt den Interessenausgleich der Beteiligten sicher und sie sorgt für praxisorientierte Lösungen, legitimiert durch gewählte VertreterInnen der Versicherten und Arbeitgeber. Diejenigen, die die medizinische Versorgung finanzieren – nämlich Versicherte und Arbeitgeber – sollen auch über die Verwendung der Mittel mitbestimmen. Dieses demokratische Prinzip müssen wir für unsere Sozialversicherungssysteme erhalten“, so der Verbandsvorsitzende abschließend.
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) ist Interessenvertretung und Dienstleistungsunternehmen aller sechs Ersatzkassen, die zusammen rund 28 Millionen Menschen in Deutschland versichern:
– Techniker Krankenkasse (TK), Twitter: @DieTechniker
– BARMER, Twitter: @BARMER_Presse
– DAK-Gesundheit, Twitter: @DAKGesundheit
– KKH Kaufmännische Krankenkasse, Twitter: @KKH_Politik
– hkk – Handelskrankenkasse
– HEK – Hanseatische Krankenkasse, Twitter: @HEKonline
Der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) wurde am 20. Mai 1912 unter dem Namen „Verband kaufmännischer eingeschriebener Hilfskassen (Ersatzkassen)“ in Eisenach gegründet. Bis 2009 firmierte der Verband unter dem Namen „Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V.“ (VdAK).
In der vdek-Zentrale in Berlin sind mehr als 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. In den einzelnen Bundesländern sorgen 15 Landesvertretungen mit insgesamt rund 350 sowie mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pflegestützpunkten für die regionale Präsenz der Ersatzkassen.