Motivation zur Mehrarbeit: Nach dem Willen der neuen Bundesregierung sollen Überstundenzuschläge künftig steuerfrei sein. Die Betonung liegt auf „Zuschläge“ – denn die Überstunden an sich werden steuerpflichtig bleiben. Wann nach aktuellem Stand für Überstunden beziehungsweise Überstundenzuschläge Steuern fällig werden und wann nicht, erläutert der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH).
Vergütung oder Freizeitausgleich für Überstunden
Im Schnitt haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im vergangenen Jahr 28,2 Überstunden pro Kopf geleistet. Das geht aus Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Bei mehr als 42 Millionen abhängig Beschäftigten in Deutschland ergibt das die stattliche Zahl von mehr als einer Milliarde Überstunden im Jahr 2024.
Laut der Statistik des IAB handelte es sich bei den besagten 28,2 Überstunden um 13,1 bezahlte und 15,1 unbezahlte Überstunden. Keine Vergütung und kein Zeitausgleich für Mehrarbeit – erlaubt ist das nur, wenn es explizit und rechtlich sauber im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart ist. Grundsätzlich müssen Arbeitgebende die geleisteten Überstunden ihrer Mitarbeitenden aber vergüten oder dafür einen Freizeitausgleich gewähren.
Stand jetzt: Bezahlte Überstunden und Zuschläge steuerpflichtig
Nach aktueller Rechtslage gilt: Wird Mehrarbeit entlohnt, fallen sowohl auf die Grundvergütung der Überstunden als auch auf Überstundenzuschläge die üblichen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an. Die Bundesregierung plant jedoch, dass zumindest die Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollarbeitszeit hinausgeht, künftig steuerfrei bleiben sollen.
Rechenbeispiel: Das monatliche Gehalt eines Arbeitnehmers beträgt 3.000 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Das ergibt laut der 4,35-Formel – diese geht von 4,35 Wochen Arbeitszeit pro Monat aus – einen Stundenlohn von rund 17,24 Euro (40 Stunden mal 4,35 ergibt 174; 3.000 Euro geteilt durch 174 ergibt 17,24 Euro). Er leistet im Juli 15 Überstunden, das sind dann zusätzliche 258,60 Euro (15 mal 17,24). Sein Arbeitgeber zahlt einen Überstundenzuschlag von 30 Prozent, das sind weitere 77,58 Euro (30 Prozent von 258,60 Euro). Somit erhöht sich sein Bruttogehalt im August von 3.000 Euro auf 3.336,18 Euro.
Geplant: Mehr netto dank steuerfreier Überstundenzuschläge
Dieses Bruttogehalt von 3.336,18 Euro wird nach aktuellem Stand voll versteuert. Wären die Überstundenzuschläge steuerfrei, wären lediglich 3.258,60 Euro die Grundlage für die Berechnung der Steuer, wohingegen der Überstundenzuschlag von 77,58 Euro ohne Steuerabzüge ausbezahlt werden würde. Mit dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer mehr netto übrigbleiben würde als nach der aktuellen Regelung.
Wichtig: Zuschläge für geleistete Sonntags- und Feiertagsdienste sowie für Nachtarbeit sind innerhalb der gesetzlichen Höchstgrenzen bereits jetzt steuerfrei, sofern diese separat zum Arbeitslohn bezahlt wurden. Das gilt auch für Bereitschaftsdienste an Sonntagen und Feiertagen oder in den Nachtstunden. Als Grundlohn für die Berechnung der steuerfreien Zuschläge dürfen Arbeitgebende maximal 50 Euro pro Stunde ansetzen.
Zeitausgleich und Lebensarbeitszeitkonto für Überstunden
Es geht auch ohne Rechnerei: Überstunden können auf dem Arbeitszeitkonto gesammelt und in Absprache mit dem Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin abgebaut werden. Ein solcher Freizeitausgleich für Mehrarbeit ist sowohl steuerfrei als auch sozialabgabenfrei.
Eine weitere Möglichkeit ist ein Lebensarbeitszeitkonto. Darauf können Überstunden gesammelt werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt für längere Freistellungsphasen zu nutzen. Das kann eine Elternzeit sein, ein Vorruhestand oder auch ein sogenanntes Sabbatical (berufliche Auszeit für Familie, Reisen oder Fortbildungen). Die auf dem Lebensarbeitszeitkonto gesammelte Zeit kann man sich unter bestimmten Voraussetzungen und in Absprache mit dem Chef oder der Chefin aber auch zu einem späteren Zeitpunkt auf einen Schlag ausbezahlen lassen – dann wiederum werden Steuern und Sozialabgaben fällig.
Hinweis in eigener Sache: Lohnsteuerhilfevereine wie die VLH dürfen zum Thema Arbeitsrecht nicht beratend tätig werden. Prüfen dürfen sie für Mitglieder aber, ob beispielsweise Überstunden korrekt versteuert wurden oder ob den Betroffenen möglicherweise eine Steuerrückerstattung zusteht oder eine Steuernachzahlung droht.
Die VLH: Größter Lohnsteuerhilfeverein Deutschlands
Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH) ist mit mehr als einer Million Mitgliedern und bundesweit rund 3.000 Beratungsstellen Deutschlands größter Lohnsteuerhilfeverein. Gegründet im Jahr 1972, stellt die VLH außerdem die meisten nach DIN 77700 zertifizierten Beraterinnen und Berater.
Die VLH erstellt für ihre Mitglieder die Einkommensteuererklärung, beantragt sämtliche Steuerermäßigungen, prüft den Steuerbescheid und einiges mehr im Rahmen der Beratungsbefugnis nach § 4 Nr. 11 StBerG.